Immer Mitte Oktober begeben sich die Präsident*innen, Vorstände und Geschäftsführer*innen deutscher Musikverbände auf den Weg in die Hauptstadt zur zweitägigen Mitgliederversammlung des Deutschen Musikrates. Tag eins war als Kongress gestaltet unter dem Titel „Kirchenmusik als Chance für Gesellschaft, Kultur und Kirche“ (siehe Seite 7). An Tag zwei fand als Abschluss eines Tagungs- und Abstimmungsmarathons das Ritual der Ernennung neuer Ehrenmitglieder des Deutschen Musikrates statt. Jeweils einstimmig wurden drei neue Ehrenmitglieder gewählt: Neben der koreanischen Komponistin Younghi Pagh-Paan und dem Posaunisten und Vertreter der Deutschen Orchestervereinigung Hartmut Karmeier muss an dieser Stelle die dritte ausgezeichnete Person besonders hervorgehoben werden: Handelt es sich doch überraschenderweise um den Journalisten, nmz-Herausgeber und Verleger Theo Geißler. In diesen Funktionen begleitete er den Musikrat stets konstruktiv-kritisch.
Die eigentümliche Dichotomie Geißlers diesem Verband der Verbände gegenüber brachte der Präsident des Deutschen Musikrats, Martin Maria Krüger, in seiner Laudatio auf den Punkt. Wir zitieren: „Unübertroffen dürfte er sein in seiner leidenschaftlichen Liebe zum Kultur- und, ganz besonders, zum Musikleben. Dabei gilt diese Liebe (…) denen, die Kunst und Musik schaffen, ausüben oder unterrichten. Politikern und Funktionären hingegen steht er mit wachsamem Argwohn gegenüber, jederzeit bereit, sie mit der heutzutage nur noch im übertragenen Sinn gespitzten Feder aufzuspießen und der Lächerlichkeit anheimzugeben. Die Betroffenen können sich immerhin damit trösten, dass es ja einer gewissen Bedeutung bedarf, um vom Radar Theo Geißlers erfasst und mit einer Schmähschrift gewürdigt zu werden. Mit dem ganzen Gewicht seiner nmz und seiner Person warf Theo Geißler sich 2002 in die ‚Schlacht um den Deutschen Musikrat‘, als dessen Existenz auf des Messers Schneide stand. Damals hat er einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass der Dachverband des Musiklebens in Deutschland die Krise überstand und im nächsten Jahr sein 70-jähriges Bestehen feiern kann.“
Für die nmz-Redaktion ist Geißlers neues Ehrenamt ein Ansporn, die Arbeit des Musikrates auch weiterhin in oben gewürdigter Weise zu begleiten.
Andreas Kolb
Die Laudatio in voller Länge lesen Sie in Politik und Kultur – Zeitschrift des Deutschen Kulturrates, 11/2022. Bzw. hier:
Martin Maria Krüger: Laudatio auf Theo Geißler anlässlich der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft des Deutschen Musikrates (Mitgliedversammlung des DMR, 22.10.2022)
„Ein wenig Garstiges, wie von mir gewohnt“ – mit diesem Widmungssatz übermittelte mir Theo Geißler 2017 das von Olaf Zimmermann und Martin Hufner bei ConBrio herausgegebene wunderbare Büchlein „Theos Kurzschluss“, das seine 85 Streitschriften enthielt, die er in damals 15 Jahren „Politik und Kultur“ – kurz puk – veröffentlicht hatte.
Er steht programmatisch für ihn, den Widerborstigen, den Aufrührerischen, den Stichelnden, Bissigen – aber auch für den mit Esprit und keinesfalls in jedem Einzelfall bösen Witz gesegneten Meister des geschriebenen und, ausweislich seiner ungezählten Rundfunk- und Podiumsauftritte, auch frei gesprochenen Wortes.
Unübertroffen dürfte er sein in seiner leidenschaftlichen Liebe zum Kultur- und, ganz besonders, zum Musikleben. Dabei gilt diese Liebe – ungeachtet möglicher kritischer Auseinandersetzung im Einzelfall – Kunst und Musik als solchen, und das heißt für Theo Geißler ganz besonders: denen, die Kunst und Musik schaffen, ausüben oder unterrichten, jedenfalls, wenn das Niveau gewahrt ist. Politikern und Funktionären hingegen steht er mit wachsamem Argwohn gegenüber, jederzeit bereit, sie mit der heutzutage nur noch im übertragenen Sinn gespitzten Feder aufzuspießen und der Lächerlichkeit anheimzugeben. Die Betroffenen können sich immerhin damit trösten, dass es ja einer gewissen Bedeutung bedarf, um vom Radar Theo Geißlers erfasst und einer Schmähschrift gewürdigt zu werden.
Theo Geißler ist ein Solitär des deutschen Musiklebens. 1947 in Gmund am Tegernsee geboren, studierte er Germanistik, Philosophie und Geschichte in Regensburg und absolvierte anschließend die Münchner Hochschule für Fernsehen und Film. Seine Karriere als Verleger, als Herausgeber der Zeitschriften „neue musikzeitung“ – nmz, „Politik und Kultur“ – puk – gemeinsam mit Olaf Zimmermann, „Oper und Tanz“ und, bis 2014, der heute online noch existierenden „JazzZeitung“, sowie als langjähriger Moderator der Magazine „taktlos“ für den BR und „contrapunkt – westöstlicher Dialog“ für BR, MDR, Goethe-Institut und nmz, begann er bereits 1967, mit 20 Jahren, als Redakteur der nmz, die damals noch „Musikalische Jugend“ hieß. Von 1986 bis 2007 war er Chefredakteur, bis heute ist er ihr Herausgeber.
1993 gründete er den ConBrio Verlag – legendär die Kindermusical-Reihe „Ritter Rost“ -, nachdem er bereits zuvor sechs Jahre den Gustav Bosse Verlag geleitet hatte.
Die nmz entwickelte er im Print und online zu einer einzigartigen Plattform des kultur- und musikpolitischen Diskurses, letztlich zum einzigen szene- und spartenübergreifenden Medium des Musiklebens in Deutschland mit hoher Reichweite und Wahrnehmung. Ohne sie würde ein wichtiges Regulativ, ein virulenter Stein des Denk-Anstoßes, eine vielfältige Informationsquelle fehlen. Theo Geißler hat die nmz mit seinen pointierten Editorials stets in brillanter, unnachahmlich witzig-böser - um ihn zu zitieren: „garstiger“ – Weise bereichert und geprägt. Darüber hinaus rief er gemeinsam mit dem Komponisten Moritz Eggert und der Online-Redaktion der nmz den „Bad Blog of Musick“ ins Leben, bis heute wahrscheinlich der meistgelesene Blog zum Thema zeitgenössische Musikkultur.
Ausdrücklich sei angemerkt: Theo Geißler hat auch eine ausgeprägte charmante und liebenswürdige Seite. Seiner bayerischen Herkunft gemäß ist er zudem dem Feiern zugewandt. Spätestens allerdings, wenn dieser Meister auf der Klaviatur der Emotionen in seltenen Fällen womöglich schmeichlerische Züge entwickelt, sollte sich das Gegenüber als potenzielles Opfer der Schlange Ka im Film „Das Dschungelbuch“ erinnern.
Den Deutschen Musikrat hat Theo Geißler stets kritisch und in der ihm eigenen, sehr persönlichen Form des Wohlwollens begleitet, die bekanntermaßen scharfe Kritik an Protagonisten einschließen kann. Mit dem ganzen Gewicht seiner nmz und seiner Person warf Theo Geißler sich 2002 in die „Schlacht um den Deutschen Musikrat“, als dessen Existenz auf des Messers Schneide stand. Damals hat er einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass der Dachverband des Musiklebens in Deutschland die Krise überstand und im nächsten Jahr sein 70jähriges Bestehen feiern kann.
Theo Geißler wurde ausgezeichnet mit der Carl-Orff-Medaille des Verbands Bayerischer Sing- und Musikschulen, mit dem Deutschen Kritikerpreis für die nmz, mit dem Würth-Preis der Jeunesses musicales und, anlässlich seines 70. Geburtstags, 2017 mit der Goldenen Stimmgabel des Verbands deutscher Musikschulen.
Lieber Theo, heute hat Dich die Mitgliederversammlung des Deutschen Musikrates in Würdigung Deiner Verdienste um das Musikleben in Deutschland zum Ehrenmitglied gewählt. Herzlichen Glückwunsch!