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Titelseite der nmz 2018/07-08.
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Ein Buch ist keine Pille

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Gedanken zur Buchpreisbindung · Von Barbara Haack
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Dies ist quasi ein Artikel in eigener Sache – aber nicht nur! Es geht auch um Erhalt oder Wegfall eines Kulturguts. Es geht um das Buch und die Note, um die Vielfalt des Angebotes; es geht um Marktmacht und Gewinnmargen. Kurz: Es geht wieder einmal um die Buchpreisbindung.

 Die „Monopolkommission“ hat – aus eigenem Antrieb und ohne Auftrag von außen – ein Sondergutachten dazu vorgelegt und sich für die Aufhebung der Buchpreisbindung ausgesprochen. Wer oder was ist diese Monopolkommission? „Die Monopolkommission ist ein unabhängiges Beratungsgremium, das die Bundesregierung und die gesetzgebenden Körperschaften auf den Gebieten der Wettbewerbspolitik, des Wettbewerbsrechts und der Regulierung berät“, so steht es auf der Webseite eben dieser Kommission. Neben einem Hauptgutachten, das alle zwei Jahre erstellt wird, gibt es Sondergutachten in drei möglichen Fällen: Im Verfahren der Ministererlaubnis, im besonderen Auftrag der Bundesregierung oder nach eigenem Ermessen. Die Kommission besteht aus fünf Personen, die alle viel mit Wirtschaft, Management, Unternehmertum oder Jura zu tun haben. Ein Verständnis für die Belange und Besonderheiten der Kulturwirtschaft oder des Kulturlebens sind hier erst einmal nicht zu vermuten. Auslöser für das eigene Ermessen im Fall des Gutachtens zur Buchpreisbindung war ein Urteil des EuGH aus dem Jahr 2016. Dort wurde festgestellt, dass die Preisbindung für Arzneimittel nicht mit der in Europa geltenden Freiheit des Warenverkehrs vereinbar sei: offenbar Anlass genug, um nun die Preisbindung in einem völlig anders funktionierenden Markt in Frage zu stellen. Aus rechtlicher Sicht sei der Schutz des Kulturguts Buch zwar ein grundsätzlich anzuerkennendes kulturpolitisches Ziel, heißt es in dem 90-seitigen Gutachten. Das Schutzgut sei aber vom Gesetzgeber nicht klar definiert, und die Buchpreisbindung stelle einen schwerwiegenden Markteingriff dar.

Dass eine gesetzlich festgelegte Preisbindung ein Markteingriff ist, ist keine wirklich neue Erkenntnis. Sie wurde aber seinerzeit mit gutem Grund eingeführt, um Vielfalt und Qualität des Buch- und Notenmarktes zu schützen. Dass diese Qualität immer gegeben ist, kann – zugegeben – auch die Preisbindung nicht garantieren. Aber immerhin bemüht sich die Mehrheit der Verlage, Buch- und Musikalienhandlungen (soweit es sie noch gibt) um eine Filterung, Qualitätssicherung und Orientierungshilfe für den Endverbraucher und die Endverbraucherin. Wenn es der Kommission um die Anprangerung von Markteingriffen geht, so sollte sie sich einmal das Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz vornehmen, das seit dem 1. März 2018 in Kraft ist. Hier wurden Verlagen nämlich bis dahin verbriefte Urheberrechte, die Bestandteil ihres wirtschaftlichen Handelns waren, einfach so weggenommen.

Dabei haben die Monopolkommissionäre es offenbar nicht für nötig gehalten, fundierte Erhebungen anzustellen, um ihr Ergebnis zu untermauern. Im Gegenteil: Offen wird zugegeben, dass vieles unklar ist und dass „keine eindeutige abschließende Aussage über die Wirkung der Buchpreisbindung zu treffen“ sei. Also: erst einmal ein jahrzehntelang erprobtes und bisher weithin anerkanntes Mittel zum Schutz eines so oder so gefährdeten Kulturgutes abschaffen, (von dem man gar nicht weiß, ob es nicht vielleicht doch wirkt), und dann überlegen, ob und wie dieses Gut dann doch noch gerettet werden kann. Da würde es sich zumindest lohnen, zwei vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels (leider erst spät) in Auftrag gegebene Studien zur Preisbindung abzuwarten, die – so Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Vereins, im „Börsenblatt“-Interview – „Grundlagenforschung leisten sollen, indem sie anhand von aktuellen Daten auch aus vielen ausländischen Buchmärkten analysieren, wie sich die Buchpreisbindung oder das Fehlen einer solchen auswirkt“. Aber um fundierte Daten und Fakten geht es hier wohl nicht.

Geht es vielleicht um die Stärkung der Buchmarktriesen, allen voran des Online-Händlers Amazon? Der hätte vermutlich lieber heute als morgen das Ende der Preisbindung, könnte er doch allein durch seine Marktmacht sofort andere Ein- und Verkaufspreise einplanen als die Händler vor Ort und diese damit aus dem Markt drängen. Für die Verlage wiederum würde das ein Preisdumping nach sich ziehen, dem sie sich wohl oder übel anpassen müssten. Qualität befördert das sicher nicht. „Aufgrund der Digitalisierung und der wachsenden Internetaffinität der Konsumenten nimmt die Bedeutung des traditionellen Buchhandels und des von ihm erbrachten buchhändlerischen Services kontinuierlich ab“, ist im Gutachten zu lesen. Wohlgemerkt: Dies dient als Argument zur Abschaffung der Preisbindung, als sei dieser buch- (und musikalien-)händlerische Service nicht mehr zeitgemäß und daher verzichtbar.

Unterstützung findet die Kommission bei den Wirtschaftsjournalisten. Die Preisbindung verhindere Preiswettbewerb und schütze „den stationären Buchhandel (Hugendubel & Co.) vor der Konkurrenz durch kostengünstigere Anbieter zum Beispiel im Internet“, schreibt Rainer Hank in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Und: „Seit Amazon braucht niemand sich um die Versorgung der Menschen mit Büchern zu sorgen.“ Die kleinen und großen, spezialisierten und marktgängigen, engagierten und weniger engagierten Buch- und Musikalienhandlungen in Deutschland unter „Hugendubel & Co.“ zu subsumieren ist eine Sache. Amazon als Garant für ausreichende (und alleinige) Versorgung mit Büchern zu preisen eine andere.

Zum Glück gibt es im politischen Berlin (noch) eine starke Riege der Unterstützer. Eine breite Front von kultur­affinen Politikerinnen und Politikern hat schnell reagiert und die Abschaffung der Buchpreisbindung abgelehnt. Immerhin haben die Regierungsparteien auch in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten: „Wir werden das Buchpreisbindungsgesetz anpassen, damit internetgestützte Vertriebsarten (Affiliate-Programme) die Buchpreisbindung nicht aushebeln können.“ Das bedeutet eher eine Stärkung von Verlagen und Händlern, die ihre Aufgabe ernst nehmen und sich eben nicht nur als Wirtschaftsunternehmen, sondern auch als Kulturvermittler sehen, wenn dies in Zeiten von verlegerunfreundlichen Gerichtsurteilen, von Urheberrechtsaushebelungen im Internet und einem verschärften Datenschutz, der nichts einfacher und nichts besser macht, auch immer schwieriger wird. Für die Endverbraucher bedeutet die Versicherung der Beibehaltung der Preisbindung, dass sie auch weiterhin auf Qualität, Vielfalt und Service vor Ort hoffen dürfen – wenn sie dies denn wünschen.

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