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Wagner-Porträt von Cäsar Willich. Foto: Wikimedia Commons
Richard Wagner. Porträt von Cäsar Willich, um 1862. Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim, Foto: Jean Christen
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Ein Grenzgänger, ein Revolutionär, ein Sprachkünstler: die BR-Musikfeatures im Juli

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Klein, aber fein ist die Auswahl an Musikfeatures im Bayerischen Rundfunk im Juli. Weil Bayern 4 Klassik den für alle ARD-Anstalten geltenden Radiosommer ausstrahlt, bleibt allein Bayern 2 Radio als Sendeplatz. Der ist mit John Cale, Richard Wagner und Gert Jonke freilich prominent besetzt. Die Sendungen im Einzelnen:

„I have got a secret”
John Cale – Grenzgänger zwischen Avantgarde und Popkultur

Von Sven Ahnert und Michael Marek
12. Juli 2009
Bayern 2, 20.05-21.00 Uhr
Irgendwann werden Rockmusiker zu Legenden oder sie arbeiten zumindest daran. John Cale, Mitglied der Art-Rock-Band „Velvet Underground“, nahm 1966 eine der wichtigsten Schallplatten der Rockmusikgeschichte auf: The Velvet Underground & Nico. Das war der Beginn einer ungewöhnlichen Karriere, die kurvenreich vom Rock n´ Roll, über Minimal Music, sowie Avantgarde-Rock und Popmusik bis hin zum Leben eines Musikproduzenten führte. John Cale sang, spielte Klavier und strich schräge schöne Noten auf seiner elektrisch verstärkten Bratsche. John Cale, der leidenschaftliche und hemmungslose Rocker mit einem Faible für bizarre Klänge, Klassik und die Poesie seines Landsmannes Dylan Thomas ist ein hochsensibler und gleichwohl aggressiver Elegiker. Er hat ein Faible für Randfiguren, Außenseiter und Revolutionäre, nicht nur aus der Musik, sondern auch aus der Literatur und Philosophie. Nicht ohne Grund heißt seine Autobiographie „What´s Welsh for Zen“, die 1999 erschien und den ehemaligen Krawallrocker als nachdenklichen Künstler zeigt, der sich in letzter Zeit vermehrt mit seiner walisischen Herkunft auseinandersetzt. Sven Ahnert und Michael Marek haben den musikalischen Grenzgänger aufgesucht.

„...wenn das ungeheure Paris in Schutt gebrannt ist“
Richard Wagner in der Hauptstadt des 19. Jahrhunderts

Von Bernhard Neuhoff
19. Juli 2009
Bayern 2, 20.05-21.00 Uhr
„Wenn Raubmörder ein Haus anstecken, so muss uns dies mit Recht gemein und ekelhaft vorkommen: - wie wird es uns aber erscheinen, wenn das ungeheure Paris in Schutt gebrannt ist? Eine Feuerkur haben wir nötig.“ Für den steckbrieflich gesuchten Revolutionär Richard Wagner gab es keinen Zweifel: Wenn die Menschheit erlöst werden soll, muss zuerst Paris niedergebrannt werden. Dabei war ihm während seiner Pariser Jahre, in bitterster Armut, sein Durchbruch gelungen: Hier schrieb er sein erstes Meisterwerk, den „Fliegenden Holländer“, hier verkehrte er mit Heine und Meyerbeer, und hier sog er die Ideen auf, die sich später zu einer künstlerisch so grandiosen wie ideologisch fatalen Mixtur verbinden sollten. Wagner und Paris: das ist eine Geschichte von Faszination und Hass, von traumatischen Demütigungen und gänzlich unwahrscheinlichen Triumphen, wie sie kein Romancier des 19. Jahrhunderts sich farbiger hätte ausdenken können. Noch am 18. August 1870, während des deutsch-französischen Krieges, schreibt Cosima Wagner ins Tagebuch: „Richard sagt, er hoffe, dass Paris verbrannt würde, der Brand von Paris würde das Symbol der endlichen Befreiung der Welt von dem Druck alles Schlechten. Richard will an Bismarck schreiben, um ihn zu bitten, Paris niederzuschießen.“ Woher dieser Hass? In seinem Feature erzählt Bernhard Neuhoff die Geschichte einer Besessenheit.

Der ferne Klang
Gert Jonke – Wortmusiker

Von Christian Mings
26. Juli 2009
Bayern 2, 20.05-21.00 Uhr
„Sprachkünstler“ ist die Vokabel, mit der in fast allen Nachrufen auf den im Januar 2009 verstorbenen Dichter Gert Jonke versucht wurde, das Wesen seines literarischen Stils zu beschreiben. Jonke „schrieb seine Texte nicht, er komponierte sie“, so der Literaturkritiker Anton Thuswaldner: „Sie arbeiten nach musikalischen Prinzipien, orientieren sich an Klang und Rhythmus und bewegen sich an einem Motiv entlang, das an musikalischen Strukturen ausgerichtet ist.“
Jonke war nicht nur ein großer Musikkenner, sein eigener Versuch, die Grenzen des Erzählbaren zu erweitern, teilt das Dilemma des Komponisten, Musik erschaffen zu wollen, die das menschliche Ohr nicht mehr erfassen kann. „Schule der Geläufigkeit“ – die nach dem klassischen Unterrichtswerk des Klavierpädagogen Carl Czerny betitelte Erzählung von 1977 – fasst als Slogan genau das zusammen: Widerstand gegen das Dasein als eine Einübung in vorgegebene Abläufe, Prozesse und Lebensentwürfe, gegen die stumpf machende Rationalität der bürgerlichen Existenz.
Jonkes Schreiben ist undenkbar ohne eine enorme Musikalität, ohne die rhythmische Struktur, ohne die Klangfarbe der Wörter. Was sich in Noten nicht mehr ausdrücken lässt, wandelt Jonke in Literatur um. Christian Mings geht diesen Wechselwirkungen nach.

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