Ein Club schreibt Geschichte. In diesem Jahr geht der mit 10.000 Euro dotierte Musikpreis der Landeshauptstadt München an den Jazzclub Unterfahrt. Kommunale Würdenträger, Journalisten, Künstler und Gäste vor Ort waren sich einig, dass damit eine Institution ausgezeichnet wurde, die es schon lange verdient hatte. Und dementsprechend harmonisch verlief auch die Preisverleihung in den Räumen des Clubs in der Münchner Einsteinstraße.
Ein Blick ins Publikum war auch ein kleiner Ausflug in die Geschichte des Jazz in München. Joe Kienemann beispielsweise war gekommen, Pianist und verdienter früherer Jazzredakteur des Bayerischen Rundfunks. Nur ein paar Meter weiter Wolfgang Schmid, einst Bassist von Passport, der international erfolgreichsten heimischen Jazzband. Jenny Evans, Swing-Sängerin und selbst lange Jahre Kneipenwirtin in München freute sich mit den Gästen und natürlich war auch Lisl Geipel anwesend, die hinter dem Tresen der alten Unterfahrt in der Kirchenstraße die Geschicke des Clubs gelenkt hatte. Ein ganzer Raum voller Überzeugungstäter, Musiker, Journalisten, Vereinsmitglieder, Kulturaktivisten, Jazzfans. Alles Menschen, die auf ihre Weise geholfen haben oder noch immer dazu beitragen, dass aus dem Club, der kaum 200 Leute fasst, eine der weltweit bekannte Bühne wurde.
Diesen Aspekt betonte auch Dr. Florian Roth, der für die Grünen im Münchner Stadtrat sitzt und in der Jury an der Urteilsfindung beteiligt gewesen war. Denn die Unterfahrt ist längst zu einem kulturellen Aushängeschild geworden, das den Ruf Münchens als Musikstadt unterstreicht. Sie wurde vom Liebhaberprojekt zur Institution mit internationalem Renommee, was durchaus nicht selbstverständlich ist.
Der Jazzredakteur des Bayerischen Rundfunks Roland Spiegel charakterisierte als Laudator die Situation mit treffenden Worten: „Was wir hier haben, ist alles andere als selbstverständlich. Ein Jazzclub, der an sieben Tagen in der Woche ein durchweg hochkarätiges und von internationalen Highlights durchsetztes Programm fast ohne Wiederholungen bietet, ist selbst in einer hochrangigen Kulturstadt etwas, das nicht von selber wächst. Die Kunstmusik Jazz ist kein Quotenbringer. Kein Verkaufsschlager. Kein Ding, mit dem man fett Kohle machen kann. Und auch kein Glamour-Objekt für Reiche, Schöne und Selbstgefällige. Der Jazz ist ein Kellerkind, das in der Dunkelheit und Intimität kleinerer Orte besonders aufblüht. Er erreicht etwas weniger Ohren als manche andere Musik-Arten, aber dafür sind diese Ohren besonders weit aufgesperrt. Einen Auftrittsort für diese Musik aufrecht zu erhalten, ist schwierig, ganz egal wo. Ihn auf ein hohes Niveau abseits täglicher Session-Gelegenheiten zu bringen, noch schwieriger. Und ihn dann noch über viele Jahre hinweg auf höchster Qualitäts-Ebene mit einem täglichen Programm zu bestücken – das ist meines Erachtens unmöglich. Fast. Denn hier geht das offenbar doch.“
So konnte der Münchner Kulturreferent Dr. Hans-Georg Küppers schließlich eine Initiative auszeichnen, die auf der einen Seite mit dem künstlerischen Leitungsteam aus Christiane Böhnke-Geisse und Michael Stückl realistische Visionäre an der Spitze hat, die die heimische Szene (wie an diesem Abend das Quartett max.bab) ebenso wie Weltstars in die Unterfahrt holen; die auf der anderen Seite aber auch auf einen Verein mit mehr als tausend Mitgliedern bauen kann, deren Engagement und Unterstützung die täglichen Konzerte in ihrer gegenwärtigen Form erst möglich macht. Denn auch das ist eine Besonderheit der Unterfahrt: Sie ist kein Kunstprodukt, sondern ein Kulturorganismus aus der Mitte des Stadtlebens heraus, der sich ständig entwickelt, verändert, in Bewegung bleibt. Sie ist die sichtbare Antithese dafür, dass Jazz ein Falls fürs Museum sein soll. Denn in der Unterfahrt tobt das künstlerische, musikalische Leben, jeden Abend wieder, seit mehr als dreißig Jahren.