Nach 44 Jahren ist Schluss. Obwohl sich das Tokyo String Quartet vor gut zehn Jahren mit Martin Beaver noch einen neuen Primarius zugelegt hat, geht es nun in den verdienten Ruhestand. Im Rahmen einer letzter Tournee verabschiedete sich das Ensemble im BASF-Feierabendhaus auch von seinem Publikum in Ludwigshafen – mit einer deutschen Erstaufführung.
Tatsächlich ist von der ursprünglichen Besetzung aus dem Jahre 1969 nur Kazuhide Isomura an der Viola übrig geblieben. Alle anderen Position wurden über die Jahrzehnte hinweg mindestens einmal getauscht, am Pult des Primarius herrschte in den späten 1990er Jahren gar ein munteres Stühlerücken. In ihrer letzten Saison spielen nunmehr Martin Beaver und Kikuei Ikeda an den Violinen sowie Clive Greensmith am Cello mit Gründungsmitglied Isomura. Umso erstaunlicher ist es aus heutiger Perspektive, dass die Formation über die Zeit hinweg ihre Qualität gehalten hat – eines der prägenden Kennzeichen war und ist ein sehr genau ausgehörter, auf Feinheit ausgerichteter kammermusikalischer Ton. Dem kam auch die trockene Akustik im Großen Saal des Feierabendhauses entgegen, obwohl dort die Atmosphäre nicht allzu viel Intimität aufkommen ließ.
Dass das Tokyo String Quartet für seine Abschiedstournee noch einmal eine zeitgenössische Komposition bestellt hat, verdient Anerkennung und zeugt von einem historischen Bewusstsein gegenüber der ganzen Gattung und ihrer 250-jährigen Geschichte, die trotz einschneidender Umbrüche auch im 20. Jahrhundert von erstaunlicher Kontinuität geprägt war. Daran muss sich auch Lera Auerbachs neues Streichquartett „Farewell“ messen lassen – in ihrem sich erstaunlich rasch mehrenden Œuvre ist es bereits das sechste. Zweisätzig angelegt, besteht es aus einem „Prologue“ und einem „Epilogue“ und kommt somit ohne eigentliche Mitte aus. Auch mit dieser Partitur bleibt sich Auerbach treu: in einem Suchen und Finden nach einer eigenen Sprache, mit postmodernen Blicken in die Vergangenheit, in die Gegenwart und in andere musikalische Bereiche. Nach einer sich mühsam von der großen Septime befreienden Introduktion sind es dann vor allem die lang gezogenen ruhigen Passagen, die in Erinnerung bleiben. Ihre elegisch gesungene entrückte Innerlichkeit scheint indes allzu auffällig bei Schostakowitsch entlehnt (15. Quartett, es-Moll), ohne dass ein vergleichbarer Drang, ein musikalisches „Müssen“, zu verspüren gewesen wäre.
Klug gewählt war daher am Ende des Programms Béla Bartóks Streichquartett Nr. 6, das auf gleich mehreren Ebenen einen Epilog darstellt. Mit seinen Mesto-Einleitungen entwickelt es darüber hinaus ein dichtes motivisches wie ausdrucksintensives Beziehungsgeflecht, dass auch dem schlanken Ton des Ensembles entgegen kam.
Schon zuvor war Mendelssohns e-Moll-Quartett op. 44/2 geradezu entblättert worden – mit herben Verlusten beim Andante, das nicht so recht klingen wollte und von der Faktur her auseinanderzufallen drohte, aber mit überaus großem Gewinn für die raschen Sätze. Als Zugabe dann das ungarische Scherzo aus Haydns op. 20/4.
Kenner wie Liebhaber dankten dem Quartett mit anhaltend warmen Applaus.