Das neue Konzept der Musikmesse Frankfurt hat in diesem Jahr an Kontur gewonnen. Zur Neuausrichtung zählten Erlebnis- und Educationformate sowie eine umgestaltete Halle 8. In einem Gang durch die ehemalige Halle der Verlage machte sich nmz-Chefredakteur Andreas Kolb ein Bild von den Veränderungen und sprach mit Ausstellern über ihre Eindrücke und Wünsche.
Der erste Weg führte zu dem französischen Musiker und Entwickler Laurent Bernadac: Er demonstrierte seine 3D-Varius-Violine. Mittels 3D-Drucktechnik kann Bernadac an einem Tag für den Preis eines Kleinwagens eine E-Geige drucken, die professionellen Ansprüchen gerecht wird. Der Musikinstrumentenbau 4.0 ist auf dem Vormarsch. Wie aber ging es in der Halle 8 zu, der klassischen Halle der Verleger? Im Gegensatz zu 2016 war der allgemeine Eindruck von Schwund und Tristesse nicht mehr so evident. Waren etwa wieder mehr Aussteller da? In der Schlusspressemeldung der Messe war zwar von einem leichten Besucherrückgang im Vergleich zu 2016 die Rede gewesen, aber von einem Zuwachs an Ausstellern. Jedenfalls war der magere Bestand an Verlagsausstellern aufgestockt worden durch die Hereinnahme von Gitarren, Streich-, Blech- und Holzblas- sowie Percussion- und Harmonikainstrumenten. Es hatte den Anschein, dass alle verbliebenen Aussteller in die überakustische Halle 8 gepackt worden waren – mit dem Effekt einer omnipräsenten, auf Dauer nur schwer erträglichen Dauerbeschallung.
Es fehlte komplett der zentrale Bühnenbereich von neuer musikzeitung, Deutschlandradio und Deutschem Musikrat – und ergo auch die nmz-Partnerverbände Deutscher Tonkünstlerverband, Verband deutscher Musikschulen, Bundesverband Musikunterricht, Jeunesses Musicales, ver.di, Deutsche Orchestervereinigung und netzwerk junge ohren. Stattdessen war in der Mitte der Halle 8 das neue Musicbiz & Culture Forum errichtet worden, auf dem sich ein beliebiger Mix aus Vorträgen, Verlagspräsentationen, Diskussionen oder auch die wie immer gut besuchte Verleihung des Preises „Best Edition“ des Deutschen Musikverlegerverbandes abspielte. Für den Musikrat – als Bundesverband wohl nicht ganz gleichwertig – in die Bresche gesprungen war die Deutsche Musiktherapeutische Gesellschaft (DMtG), die sowohl die Bühne als auch diverse Nebenräume mit Vorträgen und musiktherapeutischem Instrumentarium bespielte. Eine gute Neuerung? Hier muss man eriwanisch antworten: Im Prinzip ja, es wäre schön, wenn die DMtG auch in Zukunft auf der Messe präsent wäre, aber es fehlten doch einige wichtige Player, wie auch Florian Kleidorfer von Breitkopf & Härtel feststellen musste: „Je mehr hochkarätige Aussteller bei der Musikmesse teilnehmen, desto attraktiver wird sie. Aus diesem Grund wäre es durchaus wünschenswert, wenn namhafte Verbände et cetera in Zukunft wieder teilnehmen würden.“
Die Fachtagung „Klassenmusizieren“ mit Referenten der Musikhochschulen Hannover, Freiburg und Salzburg war gut besucht, die tristen Räume „Symmetrie“ der Halle 8 sind aber in jeder Hinsicht kontraproduktiv und entmutigend für Veranstaltungen dieser Art. Um Präsentationen, Vorträge und Diskussionsrunden schallisoliert vom Messegeschehen und dennoch zentral erreichbar und damit attraktiv für die Besucher veranstalten zu können, müsste die Messe einen Box–in-Box-Bereich realisieren. Gelungen war die zentrale Anordnung weiterer Verbandsstände, etwa das Areal mit DMV, GEMA, GVL, IDGM und VG Musikedition. Matthias Dengg, Kommunikationsmanager bei der GEMA, war mit dem verbliebenen Verbändeareal zufrieden, hatte aber auch Vorschläge für Verbesserungen: „Wir wünschen uns mehr Publikum und etwas mehr Homogenität in der Hallenbesetzung, die sich ja derzeit die Dienstleister und Verlage mit den Musikinstrumenten teilen. Außerdem müsste es einen geeigneten Ort für mehr Themenvorträge geben. 2018 werden wir sicher wieder mit dabei sein.“ Daneben großzügig platziert in der so genannten Music Education-Lounge der Verband privater Musikschulen, die Popakademie Mannheim, der VUT, die Akademie für Musikpädagogik des Bundes Deutscher Musikinstrumentenhersteller (vermutlich zu besten preislichen Standkonditionen) – hier war schmerzhaft die Abwesenheit von VdM und BMU zu konstatieren.
Einzelne Stimmen von Ausstellern bewegten sich zwischen Enttäuschung und konstruktiver Kritik. Für Peter Hanser-Strecker (Schott Music) war die Messe „insgesamt enttäuschend“. Er vermisste das Fachpublikum, viele große Aussteller und besonders auch das junge Publikum: „Ohne spürbare Veränderungen: niedrigere Kosten, ein besseres und größeres Präsentationspodium und zugträchtigere und brisantere Themen und Referenten wird die Messe zukünftig eher die Rolle eines ‚Mohren‘ übernehmen. Sie hat ihre Schuldigkeit getan und kann nun gehen.“
Detlef Kessler (AMA Verlag) gab dagegen ein positives Statement ab: „Die Stimmung war insgesamt positiv. Wir finden den Ansatz in der Halle 8.0 richtig, der letztendlich zum gewünschten, größeren Händler- und Publikumsverkehr beigetragen hat. Vermisst haben wir natürlich die bedeutenden Aktivitäten des ConBrio Verlages verbunden mit den dazugehörigen Organisationen.“ Vielen Ausstellern aus der Seele sprach sicher Florian Kleidorfer (Breitkopf & Härtel): „Wir wünschen uns ein Preisniveau, das besser zu den Realitäten in der Musikbranche passt – sowohl bei den Standmieten als auch bei den Eintrittspreisen. Die zeitliche Entkopplung von Musikmesse und Prolight + Sound führte dazu, dass am letzten Messetag deutlich weniger Besucher kamen. Beide Messen sollten daher wieder zeitgleich stattfinden. Generell muss die Besucherzahl wieder steigen. Dazu sollte die Musikmesse zu einem wirklich attraktiven Event weiterentwickelt werden – die Leipziger Buchmesse zeigt, was in dieser Hinsicht möglich ist. Der Verkauf vor Ort direkt an Messebesucher sollte problemlos und weniger umständlich als in diesem Jahr ermöglicht werden.“
Wolf-Dieter Seiffert (Henle Verlag) war eher skeptisch und gab der Messe 2017 die Schulnote 3, also befriedigend: „In erster Linie dient die Frankfurter Messe dem Gespräch und der Kontaktpflege mit unseren Kunden. Persönliche Gespräche sind auch in Zeiten des Internets sehr wichtig.“ Auf die Frage nach seinen Wünschen an die Messe sprach er Klartext: „Runter mit den Preisen für uns Aussteller, höhere Besucherfrequenz von Händlern und Endkunden.“ Die fehlenden Verbände vermisste er dagegen nicht.
Im Zeitalter der Digitalisierung und des daraus resultierenden Wandels nicht nur beim „Instrumente drucken“, sondern vor allem in der Verlagsbranche, kann eine Musikmesse 4.0 nicht nur ein Marktplatz der Dinge sein, sondern auch der Ideen und Inhalte. Andere machen es vor: Die Leipziger Buchmesse generiert mit ihrem Musiklehrertag und einer stärkeren Orientierung am Endkunden hohe Besucherströme.
Zum Konzept der Fachmesse jazzahead in Bremen gehören nicht nur Showcases, sondern auch ein Festival für die ganze Stadt oder – als Novum – ein Musikvermittlungssymposium „Jazz und Improvisation für Kinder“. Nur wenn sich Musikwirtschaft, Musikpädagogik und Konzertleben begegnen können, stimmt die Richtung hin zu einer zeitgemäßen Erlebnis-Messe.