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Wenn am dritten März die Frankfurter Musikmesse ihre Tore öffnet, gibt es ein kleines Jubiläum zu feiern: Zum zwanzigsten Mal nämlich präsentiert der Welt größter Musik-Marktplatz vom Alphorn bis zur Zymbel, von der Zemlinsky-Partitur bis zur A-Saite fast alles, was es in Sachen Musik zu kaufen gibt.
Im Rahmen ihrer Selbstdarstellung trennen die Messemacher mittlerweile säuberlich zwischen dem „klassischen" Aussteller-Potential – den Instrumentenbauern und Musikverlagen also – und den Equipment-Produzenten für Licht-, Audio- und Veranstaltungstechnik. Letztere expandieren kräftig, belegen künftig zwei große Hallen und tragen wesentlich dazu bei, daß in diesem Jahr realistisch mit einer sechsstelligen Besucherzahl gerechnet werden kann. In fünf Jahren hat sich die ProLight+Sound zu einer Art Boomtown entwickelt, während das Hüttendorf der Primär-Kultur produzierenden „Klassiker" allenfalls zögerlich wächst. Insofern liefert die Musikmesse ein sehr treffendes Spiegelbild des kulturellen Zustandes unserer Gesellschaft: Geist, Philosophie, Bildung liegen darnieder, die materielle Wertschöpfung aus Technik und Tand hat eine Hausse. Unser neuer Katechismus heißt DAX – und über die Meldung, jedes vierte Vorschulkind leide bereits unter televisionsbedingten Sprachstörungen, ereifert sich allenfalls noch der Bundespräsident. Nun ja, das stimmt nicht ganz: Während zwar eine bayerische Kultusministerin noch darüber nachdenkt, wie sie die gekürzten Musikstunden gerecht an nützliche Computerfächer verteilt, reklamiert der Max-Planck-Physiker Hans-Peter Dürr öffentlich den selbstbestimmten, schönheits- und wertbewußten Kulturmenschen. Bei der Besetzung von Führungspositionen in der Industrie spielt – so hört man zumindest – das Kriterium, ob der Bewerber ein Musikinstrument beherrscht, oft eine wichtigere Rolle als die Diplom-Note in Betriebswirtschaftslehre. Und der „Arbeitskreis Kultursponsoring" der deutschen Wirtschaft, bestückt mit Firmen wie BMW, Audi, IBM oder Thyssen, hat sich einen Ehrenkodex verpaßt, wie ihn der Deutsche Kulturrat nicht glaubwürdiger hätte formulieren können. Die richtigen Einsichten scheinen also vorhanden. Was fehlt, ist die angemessene, phantasievoll-selbstbewußte Antwort der Kulturproduzenten. Im Hüttendorf wird reichlich gejammert. Der Mut zum kulturellen Risiko scheint geistigem Kleinunterneh- mertum zum Opfer gefallen. Nötig sind Kontakte und Aktionen. Eine Plattform hierfür könnte Frankfurts Musikmesse bieten. Sie geriete dann freilich auch noch zur Ausstellungfläche für das Unverkäufliche – aber Lebensnotwendige. Was da wohl die Controller sagen?