Mit einem windschiefen Bild spökenkiekt der Deutsche Kulturrat die materielle Gefährdung von Künsten und Bildung in Ländern und Kommunen. Er wittert einen „Spar-Tsunami“ im Anrollen – was auch immer das sein soll. Wo angeblich nix ist, kann sich nämlich auch nichts auftürmen. Treffender wäre der Vergleich mit einem Laubsauger gewesen. Jener dumm-plumpen Möchtegern-Aufräummaschine unserer Bequemlichkeits-Gesellschaft: Die nämlich saugt oder pustet alles Wurzelwerk, alles Kleingetier in den Orkus optischer Ordentlichkeit.
Im „Geiste“ solchen Folterwerkzeuges gehen bedrängte Stadt-Kämmerer unter dem Fakt von Steuereinbrüchen, generiert durch die legitimen Spekulationsblasen unserer gesellschaftsprägenden Wirtschaftsordnung – den so genannten freiwilligen Leistungen an den Kragen: Sport, Künste, Bildungseinrichtungen sind die Leidtragenden. Die Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements fällt den städtischen Bilanz-Laubsaugern als erstes zum Opfer.
Und es beginnt eine abakusgesteuerte Abwägungsdiskussion nach dem Motto: Was ist wichtiger, das Schwimmbad oder die Musikschule, die KiTa oder das Theater, die freiwillige Feuerwehr oder die Bibliothek? So geschieht es gerade in Köln. Der Schweinerechner-Virus breitet sich, wie man hört, rasch in die klammen Ruhrgebiets-Metropolen aus, die sich absurderweise auch noch auf ihre europaweite Leuchtturm-Funktion als „Kulturhauptstadt“ vorbereiten. Diese Show wird wohl noch finanziert, während die Bühnenbretter unter den Beinen der Protagonisten vermutlich schon als Brennholz verhökert sind. Jedem Kind ein Instrument? Für einen ebay-Deal?
In Berlin lässt man in der U-Bahn über die Existenzberechtigung von Opernhäusern abstimmen. Mehrere Bundesländer planen, den Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen stark zeitverknappt in eine platte Kulturbildungs-Schablone einzupressen. Aus den Stuttgarter Bachtagen wird ein Barock-Event. Der ohnedies von „MDR-Kultur“– zu „MDR-Figaro“ degenerierte Bildungsbürger-Sender des Mitteldeutschen Rundfunks gerät jetzt zur Oldie-Welle – vielleicht ein besonders schlüssiges Beispiel für den Wertewandel bei der Einschätzung von Kunst und „weichen“ Bildungszielen hierzulande. Machen wir uns nichts vor: Im Katalog der so genannten gesellschaftsrelevanten Systeme stehen die Arbeitsfelder der Kulturschaffenden und der Bildungsvermittler doch auf der vorletzten Seite unten links. Vernunft und Weitblick als Wirkstoffe des Antidots gegen den Schweinerechner-Virus sind in Vergessenheit geraten.
Zwar beruft unsere Kanzlerin demnächst mal wieder einen Bildungsgipfel ein. Dort wird man sich um die Optimierung der MINT-Fächer kümmern – und den gerade mild aufmüpfigen Studentinnen und Studenten ein paar Bafög- und Stipendien-Hundeküchlein hinwerfen. Gedoktore an Symptomen seit Jahren im kurzhubigen Rhythmus der Wahlen – und jede Menge buntes politisches Verbal-Styropor, dessen Gewichtigkeit vorzubereiten sich auch kein öffentlich-rechtliches Medium mehr zu schade ist.
Also: Glaubt im Ernst noch jemand, dass unser politisches System in seinem Zustand der flüchtigen Oberflächen-Politur den Herausforderungen kommender Jahre auch nur annähernd gewachsen ist? Ach so: Wir können natürlich den Schuldenberg noch mal kurz verdoppeln: Diesmal zugunsten der wirklich gesellschaftsrelevanten Institutionen…