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Spielfreudige Komödiantentruppe: die Neuen Vocalsolisten in Strasnoys „Geschichte“. Foto: Roberto Bulgrin
Spielfreudige Komödiantentruppe: die Neuen Vocalsolisten in Strasnoys „Geschichte“. Foto: Roberto Bulgrin
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Eine schrecklich nette Familie: Die Neuen Vocalsolisten in Oscar Strasnoys Kammeroper „Geschichte“ in Stuttgart

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Nach den Wurzeln seines Schreibens forscht der Dichter Witold Gombrowicz in der Kammeroper „Geschichte“ von Oscar Strasnoy. Diese war jetzt im gut besuchten Stuttgarter Theaterhaus in einer Produktion von Musik der Jahrhunderte mit den Neuen Vocalsolisten, die das Werk 2004 auch uraufgeführt hatten, zu sehen.

Strasnoy hat sein Werk für sechsköpfiges A-cappella-Ensemble als "Operette" bezeichnet. Aber mit der ungetrübt rosafarbenen Welt dieser Gattung hat es herzlich wenig zu tun. Auf der Reise zu sich selbst gleitet Gombrowicz ab in einen finsteren, peinigenden Albtraum. Das Libretto schrieb Galin Stoev nach Fragmenten dieses 1969 verstorbenen, berühmten polnischen Schriftstellers. Es ist eine klassische Tragikomödie: Das Lachen bleibt einem im Halse stecken.
Es ging Gombrowicz vor allem um das Recht auf Individualität und geistige Freiheit. "Geschichte" erzählt in Kindheits- und Jugenderinnerungen von seinem Elternhaus, einem polnischen Landgut am Vorabend des ersten Weltkriegs, und von den brutalen Disziplinierungsmaßnahmen seiner Umwelt gegen seine Andersartigkeit.

Im Sog der oft skurrilen Traumsequenzen, in denen Privates und Weltgeschichte sich vermischen und unentrinnbar in die europäische Katastrophe führen, werden Eltern und Geschwister zu tödlichen Feinden. Zu Beginn beim Abendessen zwingt man das Kind in die Schuhe, die es sein Leben lang ablehnen wird. Barfußlaufen wird zum äußeren Symbol der Freiheit. Die Familie mutiert zum Prüfungskomitee, zur Musterungskommission und zum Hohen Gericht, das Gombrowicz wegen Kriegsdienstverweigerung zu 5 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, verwandelt sich in den Zarenhof und am Ende gar in den Kriegsrat des deutschen Kaisers.

All dem steht der junge Mann – eindringlich und berührend gespielt von Countertenor Daniel Gloger – hilflos und verzweifelt, dennoch ungebrochen gegenüber. Regisseur Titus Selge hat für dessen Leidensweg klare Bilder und eine zwingende Dramaturgie gefunden. Das Bühnenbild mit seiner langen Speisetafel erinnert an das letzte Abendmahl. Feine Bezüge zum Schmerzensmann gibt es immer wieder: Etwa wenn Gloger seine Arme ausbreitet und sich in Kruzifix-Stellung bringt. Krasseste Szene: Gombrowicz wird von der Familie mehrfach vergewaltigt.

Selge gelingt es, mit wenigen Mitteln nahtlos immer wieder neue Räume zu eröffnen – auch dank des Tisches und seiner weißen Decke, unter der die Protagonisten verschwinden, um sich blitzschnell umzuziehen und wie im Puppentheater wieder aufzutauchen.

Wieder einmal offenbaren sich die Neuen Vocalsolisten als spielfreudige Komödiantentruppe. Wunderbar, wie sie in die unterschiedlichsten Rollen switchen: die hypochondrische Mutter (Sarah Maria Sun), der ordnungsfanatische Vater (Andreas Fischer), die bigotte Schwester (Truike van der Poel) und das durchgeknallte Brüderpaar (Martin Nagy, Guillermo Anzorena). Und erstaunlich, wie sie es hinbekommen, ohne musikalische Leitung derart Komplexes so präzise zur Aufführung zu bringen. In rasanten Tempo wechselten sie an diesem Abend zwischen Deklamieren, Sprechen, Harmoniegesang und Parlando, Neue-Musik-Vokabular und rhythmischen und melodischen Anklängen an die Unterhaltungsmusik. Die kurzen Einsprengsel von Band – Kikeriki und Vogelzwitschern, Flugzeugdonnern und Zitate aus der Wiener Operette – brachten da nur kurze Erholung.

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