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Dianne Reeves und Band. Foto: Jazzfestival Südtirol/Günther Pichler
Dianne Reeves und Band. Foto: Jazzfestival Südtirol/Günther Pichler
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Erstes Konzert der Dianne Reeves Europatournee beschließt Südtirol Jazz Festival 2010

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„One for my baby and one for the road” - mit diesem vor allem durch Frank Sinatra populär gemachten Song, trat Dianne Reeves in George Clooneys Film “Good night and good luck” auf. Während des Schlusskonzertes des 28. Südtirol Festival im Stadttheater Bozen erinnerte sich die Sängerin an die Dreharbeiten. Normalerweise seien die Helden der Leinwand im wahren Leben oft blass und unscheinbar – „nicht so Clooney“ behauptete Reeves in ihrem improvisierten Blues-Intro. Sie sah den Director und sein Feuer in den Augen, und es war geschehen: „He said move, and I moved, he said, sing and I sang“.

Nicht nur in diesem Stück zog Reeves alle Register ihrer Gesangskunst und ihres Showtalentes. Es ist ihr Markenzeichen, dass das eine untrennbar zum anderen gehört. „I felt in love with you“ und andere Jazzballaden wechselten sich ab mit Blues, Bossa Nova, Tango, Funk, Modern Jazz, Soul und viel, viel Gospel. Mit ihrem Programm gab Dianne Reeves eine stimmige Antwort auf die ewige Frage, was ist heute Jazz? Da gab es keine abgeschmackten Reminiszenzen an die große Zeit der Jazzsängerinnen, keine Klischees, die bedient wurden, Reeves machte modernen, lebendigen, blut- und glutvollen Jazz. Und wenn die Musiker ihres großartigen Quintetts mit dem Gitarristen Romero Lubambo, mit Peter Martin am Klavier, Reginal Veal am Bass und Terreon Gully am Schlagzeug, auch noch kollektiv den Refrain „See the Wonder of The Universe“ anstimmten, dann geriet das Publikum in wahrhaft religiöse Verzückung.

Was Dianne Reeves so selbstverständlich gelang, nämlich ihre Zuhörer zu berühren, das war nicht bei allen Konzerten an diesem letzten Wochenende des großen Südtiroler Festivals selbstverständlich. Am ehesten gelang dies noch der Truppe um den Südtiroler Komponisten Michael Lösch mit seinem Konzeptstück „Mundial“. Seine Sweet Alps-Formation trat dieses Jahr als sinfonisches Blasorchester auf, wie es für die Südtiroler Gegend typisch ist. Ausgezeichnete Musiker an Klarinette, Sopransaxophon und vor allem Trompeten, Posaunen, Tuben und Tenorhorn.

Ein bisschen enttäuscht entließ der französische Trompeter und Elektroniker Mederic Collignon seine Zuhörer, die zahlreich auf den freien Platz zwischen dem futuristischen Museion und dem Ufer der Etsch gekommen waren. Virtuos, energiegeladen, originell in der Instrumentierung, hinterließ die Musik von Collignons  Septett das Gefühl, man hätte eher einem sportiven Kraftakt beigewohnt als einer musikalischen Darbietung – Fazit: mehr Transpiration als Inspiration.

Überzeugend dagegen wieder das Konzert im Weingut Lageder, wo man erstklassigen Jazz mit erstklassigem Wein gemeinsam goutieren konnte. Der in Paris lebende deutsche Pianist Frank Woest spielte mit Jermome Regard (b) und Matthieu Chazarenc (dr) einen ausgereiften und raffiniert gemachten Trio-Jazz.

Über zehn Tage hinweg spielten rund 250 Musiker aus 16 Nationen in Städten und Dörfern, auf Almhütten und bei Winzern, in Schlössern und sogar auf einem Floß. Die Landkarte der Spielstätten reichte dabei von Bozen bis Burgeis und Sterzing bis Meran.
Ausgefallene Orte wie das Weingut Tenuta Alois Lageder, der Labyrinthgarten im Weingut Kränzelhof oder die Comici Berghütte sind ein konstituierendes Element des Festivals.
Das Ritual eines Konzerts – fernab von Jazzkellern und Stadthallen – wird an ausgefallenen und landschaftlich oder architektonisch reizvollen Orten neu erfunden. Die Idee, den Flügel für das Solokonzert von Danilo Rea per Hubschrauber auf ein Plateau oberhalb der Comici Hütte zu transportieren, damit man beim Klavierkonzert am Fuße des Langkofels den Ausblick auf die Alpen genießen konnte, war vielleicht etwas übermotiviert, zeigte aber, wie engagiert die örtlichen Sponsoren sind, um das Jazzfestival auch bei sich zu haben. Man will dabei sein.

Erwähnenswert ist auch, dass Festivalleiter Klaus Widmann und sein Team immer wieder eigene Projekte kreieren, die sich sonst nirgendwo anders finden. Die Idee, die populäre israelische Sängerin Noa für das Eröffnungskonzert einzuladen ist an und für sich noch nichts Besonderes. Sich aber daran zu erinnern, dass sie eigentlich einmal Jazz „gelernt“ hat und sie mit italienischen Meistern wie Rita Marcotulli, Fabrizio Bosso und Luciano Biondini zusammenzubringen, ist ein Coup, der darüber hinaus auch noch künstlerisch gut funktionierte.




 

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