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(nmz-thg) Das Vokabular wird langsam gespenstisch, mit dem sich Essens Stadt-Obere vom gefeuerten Philharmonie-Intendanten Michael Kaufmann zu distanzieren suchen. Mit Formulierungen aus dem Repertoire der Reichs-Kulturkammer mischt sich jetzt Essens OB Wolfgang Reininger in die Diskussion.
Nach Rückkehr von einer Reise mit einer städtischen Delegation nach Tunis (zu viel Sonne?) erklärte Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger zur Diskussion um den ehemaligen Philharmonie-Intendanten Michael Kaufmann unter anderem wörtlich:
„Das Problem des Michael Kaufmann besteht darin, dass dieser im persönlichen Umgang so gewinnende Mensch nicht willens und bereit war, finanzielle Vorgaben zu akzeptieren und sowohl das Programm der Philharmonie als auch sein persönliches Ausgabeverhalten hieran auszurichten. Es ist die intellektuelle Arroganz eines Künstlers, der glaubt, sich über alles hinwegsetzen zu können…“.
Mit dem Vorwurf „intellektueller Künstler-Arroganz“ begründeten seinerzeit unter anderem die Nazis Bücherverbrennungen, Aufführungsverbote, Vertreibungen.
Wie weit ist es in Essen gekommen, dass die Verantwortlichen für die Ausrichtung der Kulturhauptstadt 2010 vermutlich auch noch unbewusst in den Argumentations-Dreckkübel der kulturlosesten Zeit unserer jüngeren Geschichte greifen müssen? Sind in der Administration unserer „Kulturhauptstadt 2010“ nur noch geschichtslose Dilettanten und Erbsenzähler am Werk? Hart wie Kruppstahl aber ein wenig weich in der Birne?
Diesen Eindruck kann man auch gewinnen, wenn man die jüngste Hauptstadtoffensive Essens für die überregionale Presse durchforstet. Vielleicht ein kleines Ablenkungsmanöver vom Kaufmann-Skandal aus der Feder des Stadtentwicklungs-Büros: Da wird mit Zahlen geklotzt und geprotzt, ein „Kulturhauptstadt-Geist“ ist bei dieser quantitativen, additiven Eventhuberei kaum spürbar. Kann man das Kultur-Hauptstadt-Prädikat eigentlich auch wieder aberkennen?