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Bei der Münchner Akademie als Quartett und in ihren Instrumentalfächern als Dozenten vertreten: das Arditti Quartet. Foto: Astrid Karger
Bei der Münchner Akademie als Quartett und in ihren Instrumentalfächern als Dozenten vertreten: das Arditti Quartet. Foto: Astrid Karger
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Exkursion in neue Klangwelten: Die Akademie für Neue Musik an der Münchner Musikhochschule

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Die Nervosität steht ihm ins Gesicht geschrieben. Siegfried Mauser, Präsident der Hochschule für Musik und Theater München, hat zusammen mit seinem Team die erste Akademie für Neue Musik an seiner Hochschule auf die Beine gestellt. Das Ziel ist die intensive Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen Repertoire ab 1950, das im regulären Unterricht immer noch zu wenig Beachtung findet. Eine knappe Woche vom 22. bis 27. August drehte sich alles nur um die Neue Musik in den Fächern Streichquartett, Klavier, Akkordeon, Schlagzeug, Komposition und in den abendlichen Dozenten- und Studentenkonzerten.

Dabei war es nach einem zähen Bewerbungsstart unsicher, wie die Akademie überhaupt bei den Studenten ankommen würde. Die Beschäftigung gerade mit Neuer Musik diene der Menschenbildung im eigentlichen Sinne, betonte der Hochschulpräsident bei seiner Eröffnungsrede. Eine Woche nur zeitgenössische Musik, das sei ja doch eine heikle Sache, auch wenn Weltstars als Dozenten kommen. Große Namen konnte Mauser in München versammeln: das Arditti Quartett, Akkordeonist Teodoro Anzellotti, Pianist  Marino Formenti, die Schlagzeuger Rainer Römer und Wolfram Winkel und Komponist Wolfgang Rihm. Rund 50 Studenten sind schließlich nach München gekommen, die Kompositionsklasse von Wolfgang Rihm war als erste ausgebucht.

Beherzt greift Stephanie Hänssler in ihre Tasche, holt eine dicke Mappe heraus und legt sie auf den Tisch. Die 26-Jährige zieht eine Partitur und eine CD aus der Mappe und beginnt ohne zu Zögern. Sie bekommt gleich die Gelegenheit, zwei ihrer Werke in der Runde vorzustellen. Acht weitere Teilnehmer und Wolfgang Rihm haben sich rund um die Tischgruppe verteilt und schauen gespannt auf Stephanie und die Partitur mit dem Titel „hin durch“, ein Stück für Klarinette, Fagott, Horn, Marimba, kleine Trommel und Streichquartett. Während Wolfgang Rihm die Partitur aufschlägt, erklingen die ersten Töne im Raum. Die anderen Teilnehmer beugen sich immer mal wieder zur Seite oder nach vorne, um auch einen kurzen Einblick in die Partitur zu bekommen.

Wolfgang Rihm liest in der Partitur mit, faltet kleine Eselsohren in ein paar Seiten. Er blickt ruhig, sein Gesichtsausdruck verändert sich kaum, nur die rechte Hand bewegt sich manchmal ganz sanft zur Musik. „Warum funktioniert der Schluss?“, fragt er direkt nach dem letzten Ton in die Runde. „Es tritt eine Gestalt ein, die sich als klangliches Individuum einprägt“ – in seiner ruhigen und besonnenen Art ist er auf einmal ganz beschwingt. Der Erinnerungsvorgang werde in Gang gesetzt, weil diese Gestalt auch schon früher im Stück in Erscheinung getreten sei. Das sei die Magie in der Musik, erklärt er mit großen Augen, „wenn etwas kommt, das dich anschaut“. Der Hörer müsse dem Blick dann mit dem Ohr standhalten.

Genau diese Frage habe sie auch beschäftigt bei ihrem Stück, berichtet Stephanie Hänssler. Musik sei ja eigentlich nichts, was man anfassen könne oder sehe. Ob sie doch eine Gestalt haben könne, eine Kontur oder eine Oberfläche, habe sich die Studentin beim Komponieren oft gefragt. Sie habe dafür mit visuellen Adjektiven gearbeitet: helle und dunkle, enge und weite Klänge. Rihm fügt hinzu, dass noch eine Frage enorm wichtig sei: „Wie fühlt sich der Klang an? Pelzig, feucht, trocken, stachelig?“ Er rät der Studentin, unbedingt an ihrem Stück weiter zu arbeiten, es auszureizen, neue Möglichkeiten zu erkunden und verweist dabei auf Igor Stravinsky. In seinem Spätwerk können die Studenten viel über die Haptik der Klänge, über den plastischen Umgang mit Musik lernen.

Ein spannender Vormittag sei das für sie gewesen, sagt Stephanie Hänssler nach dem Kurs. Wolfgang Rihm habe sie auf viele Aspekte hingewiesen, die ihr bisher noch unbekannt waren, die sie noch gar nicht bedacht hatte. Schon als Kind hat sie gerne kleine Stücke geschrieben, am Klavier ausprobiert, sich dann aber zunächst für ein Geigenstudium entschieden. In Theorie und Tonsatz hat sie gemerkt, wie wichtig das Komponieren für sie ist, fast noch wichtiger als die Geige. Parallel zum Geigenstudium hat sie schon einige Kurse in Komposition besucht, aber jetzt müsse sie einfach die Chance packen und noch mal richtig Komposition studieren, sagt sie überzeugt. Sie wollte Wolfgang Rihm unbedingt kennenlernen. Bisher kannte sie ihn nur von Bildern, aber „wenn man ihn da so erlebt, ist er so ein menschlicher Typ und auch sehr offen für alles und kann zu allem etwas sagen, da verliert man schnell Schwellenängste.“

Auch Jelena Dabitsch ist glücklich über ihren Platz in der Kompositionsklasse. Wolfgang Rihm sei für sie der wichtigste Komponist der Gegenwart. Aber sie betont auch die großartige Entwicklung in München. Als sie hier vor ein paar Jahren in München studiert habe, sei das noch nicht so gewesen. Die Akademie für Neue Musik und der Einsatz von Siegfried Mauser seien beeindruckend. Positive Töne kommen auch aus den anderen Klassen. Die Schlagzeuger sind sehr aufgeschlossen, was Neue Musik angeht, sagt Student Severin Stitzenberger aus München. Im Studium gehe es allerdings hauptsächlich um die gängigen Orchesterwerke, bei der Akademie für Neue Musik könne er viel tiefer eintauchen und mit einer Koryphäe wie Rainer Römer zusammen arbeiten. Cellist Nikolaus Messner aus Innsbruck fasst sich kurz: „Arditti Quartett mit Neuer Musik ist schon lässig“.

Mit rund 50 Teilnehmern und herausragenden Dozenten ist Siegfried Mauser fürs erste zufrieden. Bis 2014 ist das Projekt durch die Unterstützung der Ernst von Siemens Musikstiftung, der Helmtrud und Alfred Petritz-Stiftung und der Franz Grothe-Stiftung finanziell gesichert. Mausers Wunsch ist es, das Projekt in einen größeren Kontext einzuspannen, in eine Summer School, die über mehrere Wochen läuft und bei der die Neue Musik dann ein wesentliches Standbein bildet. Ein Grundstein für diese Entwicklung ist 2012 gelegt.
 

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