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Festivalmacher Thomas Christoph Heyde. Foto: FZML
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Festival «Machtmusik» beginnt mit einem Werk von von Mauricio Kagel

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Konzerte im Fitness-Studio und auf dem Fahrrad - Leipziger Festival «Machtmusik» nähert sich humoristisch dem Thema Sport

   Leipzig (ddp). Per Flugblatt hatte Dirigentin Barbara Rucha in Leipzig 111 musikalische Fahrradfahrer gesucht. Zum Auftakt des Festivals für sportliche Musikkultur «Machtmusik» waren am Donnerstagabend jedoch nur halb so viele gekommen. Zwei Runden drehte die Gruppe in Leipzigs Innenstadt, um nach Ruchas Anleitung pfeifend das Stück „Eine Brise: flüchtige Aktion für 111 Radfahrer“ des gerade in Köln verstorbenen Komponisten Mauricio Kagel aufzuführen.

   Bis zum Sonntag bietet das Festival in 30 Veranstaltungen und unter Beteiligung von rund 100 Künstlern »Konzerte, ein Filmprogramm, Clubveranstaltungen, Vorträge und spektakuläre Einzelaktionen«, wie Festivalmacher Thomas Christoph Heyde aufzählt.

   Dirigentin Rucha probte mit ihren Fahrradfahrern erst unmittelbar vor dem Konzert und auch nur ganz kurz. »Das Stück ist eine Brise, und eine Brise muss auch die Probe sein«, sagt sie. Ungenauigkeiten im Ablauf seien mit der Komposition durchaus vereinbar.

   Zwar verkünden die Festival-Plakate mit «Don't Disharmonie» (Keine Disharmonie) die Losung - die musikalischen Radfahrer hatten jedoch mit dem synchronen Pfeifen so ihre Probleme: Bei manchen war statt der Pfiffe nur ein leiser Hauch zu vernehmen, und die letzten in der Kette verpassten lachend erst einmal das Startsignal.

   Zum weiteren Festivalprogramm bei «Machtmusik» gehören Schlagzeuger, die mit Bällen und Sprüngen über ein Springseil Musik in einem Fitnessstudio machen, die Aufführung eines neu bearbeiteten, der Formel 1 gewidmeten Klavierstücks aus Erik Saties »Sports et divertissements« und ein Konzert mit besonders schnellem Heavy Metal. »Wir haben versucht, Musik zu finden, die selbst sportiv ist oder sich mit Sport beschäftigt«, sagt Heyde.

   «Machtmusik» findet bereits zum dritten Mal statt, jedes Jahr mit einem anderen Thema. Um Religion und Politik ging es in den Vorjahren. Den Themen nähere man sich mit gründlicher Recherche, stets aber auch humoristisch, sagt Heyde: »Man wird bombardiert mit diesen sportiven Großereignissen wie Olympia oder Fußballweltmeisterschaft. Wir versuchen, das Thema zu hinterfragen oder auch mal zu ironisieren.«

   Heyde, der als Komponist und künstlerischer Leiter des Forums Zeitgenössischer Musik in Leipzig lebt, bringt seine eigene Komposition »Bälle und Felle« in einem Fitnessstudio in der Innenstadt zum Klingen. »Ein sportives Stück muss auch an einem sportiven Ort aufgeführt werden«, sagt er. Deshalb sitzen die Konzertbesucher «statt auf Stühlen auf Medizinbällen und Turnmatten».

   Timo Brunke, Sprechkünstler aus Stuttgart, präsentiert seine Sprachkomposition »Kommunikazumutung - Verzweit«, ein 70-minütiges Stück für zwei Sprecherinnen. »Die sprechen abwechselnd und simultan, überlagern sich, lassen sprachliche Schwebungen entstehen«, beschreibt Brunke sein Werk. »Sie tun das stilisiert und im Abendkleid. Das hat dann etwas von Kammermusik.«

   Abendkleid und Heavy-Metal-Konzert, Kompositionen und Fitnessgeräte: Den Festivalmachern geht es auch darum, Grenzen zwischen Hochkultur und Pop einzureißen. »Wir mischen das ganz eigenwillig«, sagt Heyde. »Kunst löst häufig Berührungsängste aus. Wir wollen die Leute auf der Straße abholen.«

   Auch für Rucha gehört die Unterscheidung zwischen ernster und Unterhaltungsmusik «ins vorletzte Jahrhundert». Zeitgenössische Musik sei alles, was heute gespielt wird, sagt sie. «Es ist egal, ob das ein Rap oder eine hoch intellektuell komponierte Musik ist.«

   Und was haben ausgerechnet Sport und Musik miteinander zu tun? Festivalkünstlerin Annesley Black, Komponistin eines »Stücks für drei athletisch begabte Schlagzeuger und Elektronik«, sagt: »Ein Schlagzeuger vollbringt immer auch eine sportliche Leistung. Und Musiker denken sportlich, zum Beispiel, wenn sie darum konkurrieren, wer ein Stück schneller spielen kann.»



http://www.machtmusik.eu

 

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