Ganz so weit wie die kulturbeflissene Schweiz sind wir in unserer angeblich so krisenfesten Bundesrepublik noch nicht: Die Eidgenossen gaben grade im Rahmen einer Volksabstimmung mit über siebzig Prozent ihre Zustimmung, Musikförderung in der Verfassung festzuschreiben. Allerdings ist es schon ein Pfund, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, von Ministerin Annette Schavan in den Topf zur Förderung bildungsbenachteiligter Kinder und Jugendlicher gehebelt wurde. 35 Bundesverbände und Initiativen erhalten bis zu 230 Millionen Euro, um außerschulische Maßnahmen zur kulturellen Bildung zu finanzieren. [Vorabveröff. aus nmz 10/2012]
Dass sechs wichtige musikaffine Institutionen aus diesem Füllhorn bedacht werden, ist eigentlich sehr erfreulich. Der Verband deutscher Musikschulen (VdM) kann in den nächsten fünf Jahren Projektbezuschussungen in Höhe von bis zu zwanzig Millionen Euro einsetzen. Für bis zu zehn Millionen hat der Deutsche Chorverband (DCV) mit seinen phantasievollen Projekten sicher beste Verwendung – ebenso wie der Deutsche Bühnenverein – Bundesverband der Theater und Orchester. Je sechs Millionen gehen an den Bundesverband Tanz in Schulen und an den Bundesverband Popularmusik. Die Laienmusik – vertreten durch die Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände – kann sich über bis zu drei Millionen an staatlicher Investition in ihre Arbeit freuen.
Von der Ursache her höchst unerfreulich, für die von strengen Regularien begrenzte Mittelverwendung allerdings stark befreiend ist der Fakt, dass im Bereich musikalischer Bildung getrost neunzig Prozent der deutschen Kinder und Jugendlichen in die Kategorie „bildungsbenachteiligt“ eingereiht werden müssen. Wie der Schulmusiker-Kongress in Weimar gerade wieder verdeutlicht hat, wie es die Musikschul-Wartelisten ausweisen, wie es die oft unzulänglichen Angebote der Ausbildungsstätten für Erzieherinnen und Lehrer im Bereich Musikpädagogik und musikalische Praxis belegen (vom mickrigen Stundendeputat und überdurchschnittlichen Unterrichtsausfällen ganz abgesehen) herrscht in unserem Land ein ausgeprägter musikalischer Bildungsnotstand.
Die Zielgruppe für die Förderinitiative des Bildungsministeriums erreicht aus Sicht der Musik also ganz erhebliche Dimensionen. Hilfreich ist sicher die ministerielle Auflage, lokale Bündnisse zu schmieden. So kann federführend der VdM beispielsweise mit Schulen vor Ort ebenso kooperieren wie mit Sozialverbänden. Oder der Deutsche Chorverband mit Kirchengemeinden oder Rock- und Jazz-Initiativen. Projektauswahl und Mittelverteilung obliegt den als kompetent ausgewiesenen Dachverbänden. Somit ist für Qualität ebenso gesorgt wie für den engen lokalen Bezug. All das ist klug.
Doch kein „Eckenbrüller“ hier ohne angemessenen Wermutstropfen: Im Vergleich zu den Rettungsmilliarden für marode Spekulantenbanken leistet sich unser Staat in Sachen Bildung genauer betrachtet mal wieder nur eine mikronesische Investition. Von Dank ist deshalb abzusehen.