Der 1946 in Aizpute (Lettland) geborene Komponist Pēteris Vasks, Sohn eines baptistischen Pfarrers, schreibt spirituelle Bekenntnismusik. Seine klingenden Botschaften werden auf der ganzen Welt gehört. In der Corona-Krise sieht Vasks auch eine Chance für die Menschheit. Wir sprachen mit dem Komponisten – natürlich „nur“ am Telefon.
Wie erleben Sie als Komponist die Corona-Zeit in Lettland?
Pēteris Vasks: Konzerte fallen aus und ich kann abends auch nicht mehr ins Theater gehen, dafür habe ich jetzt viel Zeit zu wandern, zu lesen und CDs zu hören. Ich liebe die Einsamkeit. Für einen Komponisten ist das Alleinsein doch sowieso die normale Situation (lacht), deshalb machen mir die Kontaktbeschränkungen nicht viel aus.
Wie wird uns die Krise Ihrer Meinung nach verändern?
Ich hoffe, dass die Menschen aus der Krise etwas lernen, weniger materialistisch denken und stattdessen mehr Sinn für das Geistige und Spirituelle entwickeln. Manche merken erst jetzt so richtig, was es bedeutet, eine Familie und Angehörige zu haben und miteinander zu sprechen. Ich bin ja ein trauriger Optimist und gehe davon aus, dass nach der Krise vieles besser wird.
Wie erschaffen Sie Ihre Kompositionen?
Ich arbeite jeden Tag an meinen Werken. Da ich aber mit meinen 74 Jahren ein Rentner bin (lacht) und ohne Computer, sondern nur mit Papier und Bleistift komponiere, geht das nur langsam, dafür aber stetig voran. Komponieren ist für mich wie Hausbau. Nacheinander füge ich Stein auf Stein aufeinander, vom Keller bis zum Dach, bis das Gebäude schließlich fertig ist.
Sie sagten eben, Sie hätten jetzt auch mehr Zeit für CDs. Was hören Sie denn momentan?
Ich höre gerade die späten Streichquartette von Pehr Henrik Nordgren, das war ein fantastischer finnischer Komponist, der 2008 verstorben ist und dessen Musik ich sehr bewundere. Diese Quartette sind sein Testament. Endlich habe ich jetzt auch die Zeit, alle Sinfonien von Arvo Pärt zu hören. Seine Tonsprache steht der meinigen sehr nah.
Begleiten Sie die CD-Einspielungen Ihrer eigenen Werke?
Ja, soweit es möglich ist, bin ich im Tonstudio immer dabei. Nur bei der Einspielung meiner Werke für Klaviertrio mit dem Trio Palladio war ich leider verhindert. Aber das hat nichts ausgemacht (lacht), die Musiker spielen mit so viel Liebe und Enthusiasmus, dass ich mit dem Ergebnis einfach nur glücklich bin.
„Lonely Angel“, das erste Stück auf dieser CD, ist ja eine Bearbeitung Ihres vierten Streichquartetts. Was reizt Sie an solchen Arrangements?
Ich habe den letzten Satz dieses Quartetts umgeschrieben, um auch dem Trio Palladio die Möglichkeit zu geben, diese Musik zu spielen. Von Werken, in denen ich etwas ganz besonders Wichtiges zu sagen habe, mache ich gerne Bearbeitungen, weil ich meine spirituellen Botschaften dann weiter verbreiten kann.
Die Gattung Streichquartett steht Ihnen besonders nahe, richtig?
Das stimmt. Letztes Jahr habe ich mein sechstes Streichquartett komponiert, und zwar für das Artemis Quartett. Der letzte Satz des Werks ist ein Choral. Hier kommt es zu einer Begegnung mit Beethoven. Das ist mein musikalisches Testament. Ich weiß, dass ich kein weiteres Quartett mehr schreiben werde. Sechs ist eine gute Zahl, das sind genau so viele, wie Bartók geschrieben hat.
- Das Interview führte Burkhard Schäfer.
CDs
- Werke für Klaviertrio
Trio Palladio
Ondine 1343-2 (Vertrieb: Naxos) - Violakonzert, Sinfonie für Streicher „Voices“
Sinfonietta Riga, Maxim Rysanov (Viola & Dirigent)
BIS 2443 - Konzert für Violine & Streichorchester „Distant Light“, „Summer Dances“, Klavierquartett
Finnish Radio Symphony Orchestra, Hannu Lintu (Dirigent), Vadim Gluzman (Violine)
BIS 2352 (Vertrieb: Klassik Center)