Hauptbild
Titelseite der nmz 2014/04.
Titelseite der nmz 2014/04.
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Funk-Stunk - Theo Geissler zur geplanten UKW-Abschaltung von BR-Klassik

Publikationsdatum
Body

„Vergessen Sie bitte nicht, Ihre Antenne zu erden“ – ein sehr früher Standard-Funk-Spruch. Er sollte Radiohörer vor Blitzschlag schützen. Als 1923 die „Sendestelle Berlin“ ihr Programm startete, strahlte man ein Live-Konzert für ein paar hundert Empfangsgeräte aus: Sogenannte ernste Musik würde man heute sagen. Fritz Kreislers „Andantino“ für Cello mit Klavierbegleitung. Rasch aber erkannten Politiker die Macht des Mediums, funktionierten es spätestens im Dritten Reich zum brutalen Propaganda-Lautsprecher um. [Vorabdruck aus der nmz 4/2014]

Die junge deutsche Demokratie wollte nach dem Ende der Nazi-Diktatur solches ein für alle Mal verhindern. Nach dem Vorbild der BBC entstand ein „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk“, mit Kultur-, Bildungs- und Informationsauftrag, nicht ganz zu vergessen die „Unterhaltung“. Kundige Redaktionen gestalteten Programm, allenfalls unter der Aufsicht von Vertretern „gesellschaftlich relevanter Gruppen“ in Rundfunkräten. Weil sich die politischen Parteien auch als gesellschaftlich relevant empfanden, gerieten die Sender stark in den Fokus parteilicher Interessen. Geschichte ist die Gründung des ZDF dank Konrad Adenauer als Gegenpol zur „linken“ ARD, Posse der Ausstieg des Bayerischen Rundfunks bei gewissen Satiresendungen.

Verständlich, dass sich politisch unabhängige Redakteure gegen solche Eingriffe wehrten – mit wenig Erfolg. Im rasanten technischen und kommerziellen Wandel der Medien geriet fachliche journalistische Kompetenz im Verhältnis zum marketing-dominierten Quotendenken ins Hintertreffen. Das gilt vor allem für den Bildungs- und Kulturanteil der Programme. Es verwischten sich die vom Auftrag her sehr unterschiedlichen Erscheinungsbilder des öffentlich-rechtlichen und des privaten Rundfunks. Mit aktuell hohem Risiko: Sollte das hinter dichten Vorhängen ausgezockte „Frei“-Handelsabkommen zwischen EU und den USA ratifiziert werden, stehen mit öffentlichen Geldern finanzierte Institutionen zur Disposition: ZDF, ARD, DLF, Orchester, Museen, Musikschulen (siehe Seite 12 dieser Ausgabe).

Dabei begeben sich Sender und sie „betreuende“ Politiker eines zentralen Erhaltungs-Argumentes: Der öffentlich-rechtliche Kultur- und Bildungsauftrag wird dem Fetisch der Zahlensteuerung gnadenlos geopfert. Eine „kulturelle Ausnahmestellung“, wie sie Frankreich einfordert, steht nicht mehr zur Diskussion. Ob beim SWR unter gleisnerischem verbalen Zuckerguss Orchester fusioniert werden, ob der BR die Vertreibung von BR-Klassik ins digitale Nirwana plant – allemal siegt die Katzenberger- und Jogi-Löw-Ästhetik über Humboldt, Bach und Rihm. Die Öffentlich-Rechtlichen basteln am eigenen Mausoleum mit Highspeed-Internetverbindung.

Vergessen Sie bitte nicht, Ihre ureigene Antenne zu erden, wenn Sie am 22. Mai über die Abschaltung der BR-Klassik-UKW-Frequenzen befinden – empfehlen wir den Rundfunkräten: Bloß nicht dumm erden – zum Beispiel an der vom Quoten- und Jugendwahn verdorrten Kleinhirnrinde falsch beratener Entscheidungsträger. Zukunftssichernd ist lebendige Musik, zu deutsch: musica viva, oder die Musikschule Fürth. Sonst könnte Sie der Blitz treffen. Beim Abstimmen – oder später.

Zur Petition

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!