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 Das Alban Berg Quartett bei seinem Konzert in der Frankfurter Alten Oper. Foto: Charlotte Oswald
Das Alban Berg Quartett bei seinem Konzert in der Frankfurter Alten Oper. Foto: Charlotte Oswald
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Gedankensplitter in einem Kammerkonzert

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Das Alban Berg Quartett mit Beethoven und einer Rihm-Uraufführung · Von Gerhard Rohde
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Das Wiener Alban Berg Quartett absolvierte soeben seine Frühjahrstournee. Auf dem Programm standen Werke von Haydn, Beethoven, Schönberg und Wolfgang Rihm. Letzterer hatte für die Alban Bergs ein neues Werk geschrieben, „Grave“ betitelt, was so viel wie schwer bedeutet, in der Musik ein getragenes Tempo. Der Komponist widmete es dem im Jahr 2005 verstorbenen Bratschisten des Alban Berg Quartetts, Thomas Kakuska.

Der Tod Kakuskas war für das Ensemble ein schwerer Verlust. Wie würde es weitergehen? Ginge es überhaupt weiter? Thomas Kakuska schien in seinem Können, seiner Autorität, seiner Integrationsfähigkeit unersetzbar. Aber er hinterließ eine Meisterschülerin: Isabel Charisius. Sie hat sich in das Quartett der Herren Günter Pichler, Gerhard Schulz und Valentin Erben perfekt eingefügt, bringt eine eigene Energie in das Zusammenspiel ein.

Auf ihrer Tournee kombinierten sie wechselweise Werke der genannten Komponisten. In der Frankfurter Alten Oper stellten sie Rihms „Grave“ zwischen ein Haydn-Quartett und Beethovens Opus 130, Letzteres mit dem ursprünglichen Finalsatz: der Großen Fuge op. 133. Es waren grandiose Wiedergaben, Musikinterpretationen auf allerhöchstem Niveau, wobei sich Rihms „Grave“, für Wissende nicht überraschend, in seiner tastenden Beethoven-Reflexion als ein Stück großer Musik unserer Gegenwart erwies.

Warum wir das alles hier etwas ausführlicher und sogar mit einem Bild aus dem Frankfurter Konzert darlegen? Dazu etwas Anekdotisches: Vor vielen Jahrzehnten hörten wir beim renommierten Musikfestival in Aix-en-Provence einen Liederabend der damals schon bekannten, aber noch nicht so berühmten Jessye Norman. Zuvor erlebte man einige groß annoncierte, letztlich aber höchstens mittelmäßige Opernaufführungen. Normans Liederabend gab einem den Glauben an die Musik wieder zurück. Der Kunstwert, so bezeichneten wir die Quersumme der künstlerischen Erlebnisse, lag bei Norman unendlich viel höher als bei den Opernaufführungen.

So ist es uns jetzt wieder beim Alban Berg Quartett ergangen. Aus der unablässig steigenden Flut so genannter Events, die auch das Musikleben erfasst hat, ragt ein Abend wie dieser wie eine Insel der Seligen hervor. Hier wird noch erfahrbar, was Musik in einem höheren Sinne vor allem ist: Gestaltung eines zugleich sinnlichen und geistigen Prozesses, der dem Menschen wichtige existentielle Erfahrungen zu vermitteln vermag.

Um diese Erfahrungen gewinnen zu können, sind aber Voraussetzungen notwendig. Das Kunstwerk und dessen Vermittlung müssen auf einer Höhe angesiedelt sein, die allein es möglich macht, jene übergreifende kathartische Wirkung zu erzielen, wie sie im Schauspiel die griechische Tragödie versteht. Gerade das Theater, das Schauspiel, aber auch die Oper führen immer öfter vor, wie sehr diese Perspektiven der Kunst allmählich aus dem Blick geraten. Junge Regisseure, auch weibliche, die vielleicht fünf Schauspiele inszeniert und noch nie eine Oper besucht haben, erhalten aufgrund scheinbar kompetenter Kritiken das Angebot für eine Operninszenierung. Sie lesen das Textbuch, finden es interessant, ja toll, blättern auch schon mal im Klavierauszug oder in der Partitur, und schon ist die Geschichte für sie fertig: Ab in die Gegenwart mit „Don Giovanni“, ist doch irgendwie eine tolle Lovestory mit Sex and Crime, ein dickes Auto muss natürlich auf die Bühne rollen, ein Rollstuhl für den alternden Verführer bringt ihn mehr auf den Hund als der antiquierte Teufel, und eine handvoll netzbestrumpfter Liebesdienerinnen lenkt die Aufmerksamkeit auf sich und von den Hauptfiguren ab. Hauptsache, die Sache bringt Spaß, vor allem sich selbst und den Mitwirkenden. Und einem immer größer werdenden Teil des Publikums auch, dem aufgrund mangelnder Vorausbildung der Durchblick fehlt. Es war doch lustig, oder etwa nicht?

So nivelliert sich alles, vor allem jedoch das Theater und die Oper langsam, aber stetig in Richtung Eventkultur. Und weil auch jüngere Journalisten und viele Funk- und Fernsehkommentatoren munter nachplappern, was ihnen die ebenso ahnungslosen Damen und Herren der Theater-Musik-Medien-Kommunikations-Offices per E-Mail ins Büro schicken, findet sich am Ende alles sogar in einem wunderbaren Einverständnis wieder: Kultur ist schön, Kultur ist wichtig, Kultur ist vor allem, wenn sie ausschnittsweise im Fernsehen aufscheint. Wen interessieren da noch ästhetische Fragen, etwa nach den formalen Ansprüchen eines Werkes, dem Figurenentwurf einer Tragödie oder einer Oper, oder gar, was für ein Ansinnen, nach dem historischen Faltenwurf eines Stoffes, der die Fallhöhe der Tragödie erst, auch psychologisch, plausibel macht?

Das Ärgerliche dabei für die hier vor allem interessierende Musik ist, dass die zunehmenden Erosionserscheinungen auch an ihr nicht vorübergehen. Unausgereifte Dirigenten werden zu ihrem Schaden an irgendwelche Spitzen hochgejubelt, klavieristische Springteufel zu neuen Horowitzen hochstilisiert, ein halbes Dutzend hübscher Violinistinnen gleich zu Professorinnen ernannt.

Ist das alles zu pessimistisch gesehen? Vielleicht, auch muss das jeder für sich beurteilen. Außer den Alban Bergs erleben wir auch immer wieder hinreißende Begegnungen mit, um nur einige zu nennen, William Christie, Christophe Rousset, René Jacobs, Pierre-Laurent Aimard, deren Musizieren so groß ist, weil sie von ihrer Person ablenken und ausschließlich zur Musik hinführen, dieser und deren Größe und Bedeutung Ehrfurcht und Respekt erweisend. Alles Eitle, von dem so viele Künstler heutzutage befallen sind, womit sie Medien und Publikum oft blenden, ist allemal verdächtig.

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