Kinder, Jugendliche und Erwachsene: Drei Welten, die in unseren Kulturbetrieben wenig miteinander zu tun haben. Für die Dirigentin, Komponistin und künstlerische Leiterin von opus21musikplus Konstantia Gourzi ist das kein Ansatz für eine gemeinsame kulturelle Identität. Sie startete daher ein Generationen übergreifendes Projekt, zudem über kulturelle Grenzen hinweg, um mit „fliegender teppich“ ihrem Education-Programm ein besonderes Format voranzustellen.
Es spricht bei Kindern eine intellektuelle und emotionale Reife an, die bisher nur selten ernsthaft in Betracht gezogen wurde. Die Uraufführung der drei explizit dafür konzipierten Kurzopern im Carl-Orff-Saal am Münchner Gasteig bestätigte, dass es möglich und inspirierend ist, alle Generationen zu einem kulturellen Ereignis zu vereinen.
Und es war gewiss kein seichtes Unterfangen. Als übergeordnete Thematik hatte Gourzi das Thema Odyssee gewählt, in Facetten, die von der Frage nach der eigenen Identität und Heimat bis hin zum Hinterfragen vom Eigenen und Fremden reichte. Dass in den Aufführungen Kinder mitwirkten, hatte keinesfalls Kompromisse im Anspruch zur Folge. Nicht nur, weil der Kinderchor der Bayerischen Staatsoper (Leitung Stellario Fagone) es gewohnt ist, auch auf der Bühne zu agieren und sich der Rolle entsprechend gelöst zu bewegen, sondern auch, weil die tanzerfahrene Regisseurin Martina Veh eine den Möglichkeiten angemessene Choreographie schlüssig in die sparsame Bühnengestaltung einzuflechten vermochte.
Gerade in „Lotus-Insel“ der erst 28-jährigen Türkin Sinem Altan mit ihren märchenhaften Stimmungsbildern, die von volkstümlichen Instrumenten wie Baglama, Duduk oder Mey ins Orientalische gerückt wurden, spielte die Bildsprache eine wichtige Rolle. In ihrem Libretto reduzierte Altan die Aussage auf wenige entscheidende Sätze und gewann damit viel Raum für ihre farbenreiche musikalische Ausdruckssprache, wobei der Gesang auf Klarheit durch Stützung des Sprachduktus ausgelegt war.
Für Amos Elkana (*1967) aus Israel spielte in „The Journey Home“ mit der komplexen Geschichte einer unmöglichen Liebe zwischen einem Araber und einer Jüdin das erzählerische Element eine bestimmende Rolle. Der mutige und gewiss gelungene Versuch von Edna Kedar-Arav, im Libretto ein heikles Thema auf Kernaussagen zu reduzieren, war allerdings mit extremer Ereignisdichte erkauft. Mäandernde Phrasen, rhetorisch bestimmt, trieben die Handlung voran. Elkana fand aber auch den Mut, melodische Arien und Duette einzubinden, die zugleich den Kontrast zur feindseligen Atmosphäre im Umfeld verstärkten.
Mit Auszügen aus dem Gedicht „Ithaka“ des Griechen aus Ägypten Konstantinos Kavafis rückte die Thematik nah an die Odyssee, die schließlich in „Omiros-Orimos“ des Griechen Giorgos Koumendakis (*1959) mit Auszügen aus Homers Epos zur Essenz der Aussage vordrang, nicht ohne die Episode des treuen Jagdhundes Argos, dessen Freundschaft zu Odysseus ihn 20 Jahre ausharren ließ, einzubeziehen. Eine Perspektive auf die Thematik, die insbesondere Kindern eine Verständnishilfe gewesen sein dürfte. Koumendakis wagte auch eine Entwicklung zur Abstraktion hin, die mit stimmungsvollen Soundscapes die Feinsinnigkeit zwischenmenschlicher Beziehungen differenzierter zu vermitteln vermochte, als es mit Sprache möglich ist. Dass der verbleibende altgriechische Text auf der Leuchttafel nicht mehr übersetzt wurde, fiel nicht ins Gewicht, zumal die Worte hier wohl nur noch fragmentiert in die Lautsprache eingeflochten waren.
Das Instrumentalensemble mit Holz- und Blechbläsern, Streichern, Harfe, Klavier, Akkordeon und Schlagzeug agierte unter der Leitung von Konstantia Gourzi selten orchestral, vielmehr mit kammermusikalischen Finessen. Oft war es weit in Klangfärbungen zurückgenommen, bisweilen bewegte es sich aber auch, sowohl begleitend als auch kommentierend, mit Ausdrucksrhetorik nah an den sprachlichen Aussagen Die so gestaltete Zusammenarbeit mit Anna Stylianaki (Sopran), Susanne Drexl (Mezzosopran), Aco Bišćević (Tenor), Raphael Sigling (Bass) sowie Chorsolistin Nina Schumertl und dem Kinderchor der Staatsoper München schöpfte aus gemeinsamer, sorgfältiger Einstudierung eine geradezu selbstverständliche Homogenität. Dabei entwickelte Vehs auf Vielfalt der Zielgruppen ausgerichtete Regie ein komplexes Gefüge aus mehreren gleichzeitigen Bedeutungsebenen. Symbolische und metaphorische Handlungen lenkten bisweilen vom vordergründigen Geschehen ab, boten aber zugleich eine Aussagentiefe, die jeder auf die Zielgruppe Kinder gerichteten Verniedlichung entschieden entgegenwirkte.