Auszeichnungen steigern nicht nur das Prestige der Empfänger, sondern lenken auch die Aufmerksamkeit zum Ort der Übergabe. Da hatte das Komitee des Alexander-Zemlinsky-Fonds bei der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien eine optimale Wahl getroffen, als deren Repräsentant Dr.Peter Marboe am ersten Konzerttag des Internationalen Lübecker Kammermusikfestes 2009 die Gelegenheit hatte, den Alexander-Zemlinsky-Förderpreis an das Zemlinsky-Streichquartett aus Prag zu überreichen.
Begründet wurde die Ortswahl in diesem Kontext von Moderator Hermann Boie dadurch, dass vom Klavierduo Evelinde Trenkner und Sontraud Speidel die Arrangements von Zemlinsky besonders beachtet werden. Den internationalen Rang des Festivals und den Saal im Kolosseum als geeignete Umgebung für die kurze Zeremonie hob Dr. Marboe hervor. Vor allem aber die Preisträger bestätigten, dass ihre Fähigkeiten zur Darstellung etwa des Streichquartett Nr. 1 von Zemlinsky überragend sind. Dessen polyphones Gewebe und Csárdás-Temperament im Allegretto überzeugten sogar notorische Skeptiker. Ebenso die Momente der Verzückung in der „Meditation über einen alten tschechischen Choral“ von Josef Suk, die Evelinde Trenkner und Sontraud Speidel mit "Die lustigen Weiber von Windsor", von Zemlinsky nach der Ouvertüre von Otto Nicolai für Klavier zu vier Händen bearbeitet, wirkungsvoll kontrastierten.
Die beiden folgenden Abende boten wieder exquisites Repertoire der Epoche von 1871 bis 1918, dem Markenzeichen des Lübecker Kammermusikfestes. Das Ars Trio di Roma trieb Ängste aus der Todessehnsucht im Klaviertrio op. 100 von Philip Scharwenka und begeisterte das Publikum danach um so mehr mit einer parodistischen Rossini-Zugabe. Junge Künstler wie der Fagottist Ricardo Ramoz und seine Klavierpartnerin Izabela Melkonyan setzten eigene Akzente mit der Sonate op. 135 von Camille Saint-Saëns. Insbesondere jedoch „In Freundschaft“ für Fagott solo von Karlheinz Stockhausen, von Ricardo Ramoz sozusagen als Monodrama inszeniert, war in ungewöhnlicher Klangästhetik eine gelungene Darbietung. Auch wenn es kritische Kommentare wegen dieses Abstechers zur zeitgenössischen Musik gab, so ist ausdrücklich zu begrüßen, dass Solisten wie Ricardo Ramoz bestimmte Werke aus eigener Identität aufführen.
Gleiches gilt für den jungen Klaviervirtuosen Josef Moog, inzwischen ein Publikumsliebling in Lübeck, als er die fiebrige „Carmen-Fantasie“ von Ferruccio Busoni, den sublimen Zyklus „Gaspard de la nuit“ von Maurice Ravel und das Walzerarrangement „Frühlingsstimmen“ von Ignaz Friedmann makellos spielte. Drei Zugaben forderte das Publikum!
Das Duo Brillaner zeigte mit der surrealistischen „Première Rhapsodie“ von Claude Debussy, den spätromantischen Kantilenen der „Deux Pièces“ und der mediterranen „Fantasie“ von Philippe Gaubert, dass anspruchsvolles Repertoire für Klarinette und Klavier noch kaum erkundet ist. Shirley Brill hat als Klarinettistin, die gerade den prominenten Concours de Genève gewonnen hat, guten Spürsinn und eine eloquente Körpersprache für solche Preziosen.
Allzu glatt war dann das Programm vom Saxophontrio Sax Allemande, dessen Schönklang zwar zur „Nussknacker-Suite“ von Peter Tschaikowski passte, dadurch die Songs aus „Porgy & Bess“ von George Gershwin allerdings in steifer Sitzpositur und Frack schlicht verniedlichte. Gut, dass der Schauspieler Florian Hacke zuvor noch warnend die Persiflage „Das Lied vom Konzert“ aus der Ballade „Anton Notenquetscher“ von Alexander Moszkowski rezitiert hatte. Mit dem „Pacific 231“ von Arthur Honegger schweifte das Klavierduo Evelinde Trenkner und Sontraud Speidel schließlich zu jazzigen Clustern und grollender Motorik in den tiefen Registern, und das 19. Internationale Lübecker Kammermusikfest hatte so wieder eine Rarität und sein genuin eigenes Profil präsentiert.