Die amerikanische Komponistin, Bandleaderin, Pianistin und Organistin Carla Bley erhält die German Jazz Trophy „A Life for Jazz“ 2009. Ihre Musik für Big Band und diverse kleinere Ensembles steht seit vielen Jahrzehnten auf den Programmen europäischer und insbesondere deutscher Festivals und Konzerthäuser. In ihren Kompositionen und Arrangements verbindet sie teils auf groteske, teils auf ironisierende Art und Weise Elemente aus Jazz, Rock und europäischer Moderne. Hintersinnige kabarettistische und auch poetische Texte spielen eine wichtige Rolle in ihrem Schaffen.
Alles zusammen verhalf ihrer Musik, angesiedelt zwischen dem Freejazz der 70er-Jahre und simplen Rocksongs, hierzulande zu einem generationenübergreifenden Publikum.
So unkonventionell die Musik der Bley bis heute ist, so unkonventionell verlief ihr Leben. Carla Bley, geborene Borg, wurde 1938 in Oakland, Kalifornien, in ein Musikerelternhaus hinein geboren. Ihre Eltern hatten sich am Moody Bible Institute in Chicago kennengelernt und so waren ihre ersten Lebensjahre sowohl mit Musik als auch mit Religion ausgefüllt. Mit vier Jahren spielte sie in der Kirche Klavier, sang im Kirchenchor und spielte – sobald sie groß genug war, um an Tasten und Pedale zu reichen – Orgel bei Hochzeiten und Begräbnissen. Mit 12, so ist es überliefert, interessierte sie sich verstärkt für Roller Skating und verbrachte die nächsten drei Jahre mit dem Training für Wettkämpfe. Neben der Schule hatte Carla einen Job als Pianistin: Sie begleitete eine Tanzklasse. Mit 15 Jahren verließ sie die Schule und arbeitete als Bedienung in einem Musikladen. Sie begleitete einen Folksänger und spielte Soloklavier in Bars. Spuren ihrer unakademischen musikalischen Ausbildung scheinen in Bleys Musik immer wieder auf und sind die Keimzelle ihrer ganz individuellen Klangsprache.
Zahlreiche CD-Veröffentlichungen dokumentieren ihren Werdegang lückenlos. Besonders hervorzuheben sind ihre Jazzoper „Escalator over the Hill“, die sie mit dem Jazz Composers Orchestra aufführte, aber auch einige frühe Stücke wie „Ictus“, „Jesus Maria“ und „In The Mornings Out There“, die sie u.a. für Jimmy Giuffre, George Russell, Art Farmer, Gary Burton und ihren damaligen Mann, den Pianisten Paul Bley, schrieb.
Später gründete sie „The Carla Bley Big Band“, die vom angesehenen Jazzkritiker Nat Hentoff gleich hinter denen von Duke Ellington und Charles Mingus gereiht wurde. In den vergangenen Jahrzehnten arbeitete sie bevorzugt mit kleineren Ensembles, etwa dem Doppelquartett 4x4, den Lost Chords u.a. Bei fast allen Produktionen der letzten beiden Jahrzehnte wirkte der E-Bassist Steve Swallow mit, mit dem sie auch privat verbunden ist.
Bei der Verleihung der German Jazz Trophy 2009 am 24. November an Carla Bley im Gustav-Siegle-Haus in Stuttgart wird die Künstlerin zusammen mit ihrer aktuellen Band „Lost Chords“ auftreten. Zur Besetzung zählen Steve Swallow am Bass, Andy Sheppard, Saxophon, und Billy Drummond, Schlagzeug. Den Jazzpreis, eine Statue des Stuttgarter Bildhauers Otto Herbert Hajek, verleiht die Sparda-Bank Baden-Württemberg gemeinsam mit der Jazzzeitung (ConBrio Verlagsgesellschaft, Regensburg) und der Kulturgesellschaft Musik + Wort e.V. Stuttgart. Bisherige Preisträger waren Prof. Erwin Lehn, Paul Kuhn, Toots Thielemans, Wolfgang Dauner, Kenny Wheeler, Dick Hyman, Jean-Luc Ponty und Hugo Strasser.