„Egal was – Hauptsache, es wird geredet“ – so könnte eine heimliche Marketing-Strategie der Bayreuther Festspielleitungen lauten. Selbst in den Jahrzehnten der Alleinherrschaft Wolfgang Wagners gab es regelmäßig im Frühjahr ein „Skandalon“, das zum „Bayreuther Sommertheater“ führte. Damit war das einzige deutsche Festival von Weltgeltung in fast allen Kulturnachrichten und die Spannung Richtung „Festspieleröffnung am heiligen 25.Juli“ entsprechend gesteigert. Doch nun sogar: „Herbstnebeltheater“.
Nichtfachleute konnten soeben etwas über „künstlerische Vorausplanung“ lernen: da war für Kenner nach der Absetzung der letzten „Parsifal“-Produktion 2012 schon das Gerücht im Umlauf, der egomanische Selbstvermarkter Jonathan Meese würde 2016 das für Bayreuth so zentrale Werk neu inszenieren. 2013 wurde das zur Gewissheit.
Musiktheaterfreunde, Werkkenner und Sucher nach „künstlerischen Fest-Ereignissen“ schüttelten also seit fast zwei Jahren den Kopf: Bayreuth will das verlorene Gütesiegel „Mekka der Wagner-Interpretation“ ausgerechnet mit Meese zurückerobern? Einer Figur, die nun wirklich nicht zur Weltelite der Avantgardekunst zählt? Einem kleinformatigen Happening-Theatraliker, der noch nie ein Werk mit über einhundert Bühnenmitwirkenden, Orchester und Dirigent inszeniert hat? Von dessen Auftritten nur die lärmend leere Selbstinszenierung bekannt ist, nicht aber fesselnde Personenregie von hochklassigen Sängerdarstellern, nicht künstlerische Sensationen der Lichtregie oder als „Bühnenbild der Jahres“ gefeierte Nutzungen von großen Theaterräumen… Ist Nichtbeherrschung von „theatralischem Handwerk“ eine Befähigung zur Festspielinszenierung eines Gesamtkunstwerks?
Und dann noch Meeses kultur-bewusstlose, hirnrissige Schwafelei über und Nutzung von NS-Brauchtümelei: All dieses verquaste Brimborium ist kein künstlerisch-emanzipatorischer Befreiungsschlag aus deutscher Schuldverstrickung nach siebzig Jahren: den kann und darf es nicht geben! Speziell nicht in Bayreuth, das seine NS-Verstrickung noch immer nicht komplett aufgearbeitet hat. Gerade wenn Bayreuth ein künstlerisches Aushängeschild Deutschlands sein will: soll da ein Meese-Foto vor oder im Festspielhaus oder auch auf der Bühne mit irgendeinem „künstlerischen“ NS-Zitat um die Welt gehen? Nein, allein die Trennung von Meese ist der wahre Befreiungsschlag.
All dies nur knappe zwei „Werkstätten-Arbeitsjahre“ vor dem Premierentermin legt viele Mankos der Festspielleitung offen. Abermals erweist sich als Fehler, Stefan Herheims einzigartige Neudeutung des „Parsifal“ von 2008 abgesetzt zu haben: wie „Cheréaus Jahrhundert-Ring“ war diese faszinierend überbordende Ausweitung der „Erlösungsproblematik“ auf Wagner, die Familie, auf Bayreuth und die deutsche Geschichte bis zur Gründung der Bundesrepublik und ihre Aufnahme in die UN künstlerisch singulär; sie hätte - wie einst Wieland Wagners „Parsifal-Entrümpelung“ von 1951 bis 1973! – gerne zehn Jahre und mehr gespielt werden können, auch um die Wagner-Gemeinde weltweit aus ihrer Beweihräucherung des Werkes als „Bühnen-Ersatzgottesdienst“ zu erlösen…
Doch künstlerische Eifersüchteleien seitens der selbst inszenierenden Festspielleiterin und künstlerische Rigorositäten seitens des Regisseurs führten zum Bruch: nicht einmal die technisch unvollkommene Fernsehaufzeichnung ist erschienen bei der sonst reichlich unergiebige Mitschnitte veröffentlichenden „BF Medien“. Einzig abwägenswertes Argument nach dem „Herheim-Parsifal“ war: jeder „normale“ Regisseur hat danach keine Chance… Doch das war kein Argument für Meese. Viele Optionen waren möglich: Außer Katharina Wagner hat noch nie eine Regisseurin in Bayreuth inszeniert – ist mit einer Andrea Breth, einer Ariane Mnouchkine oder einer Deborah Warner ernsthaft gerungen worden? Oder hätte angesichts von Wagners spätem Interesse an buddhistischer Geisteswelt nicht ein Theatermann aus Fernost eine völlig „andere“ Sicht auf das Werk erbracht?
Schließlich: eine Reihe erfahrener Regiegrößen hat noch nie in Bayreuth gearbeitet – da können die Namen „Loy-Alden-Py-Pountney-usw.“ gereiht werden… darunter ist jetzt das Engagement von Uwe Eric Laufenberg aus Wiesbaden eine solide Lösung – ohne weiteres Gewese…