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Goeyvaerts „Aquarius” in Antwerpen, Zudams „Adam in ballingshap“ in Amsterdam

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Esoterisch inspiriert erscheint der oratorische „Aquarius“-Zyklus aus dem letzten Lebensjahrzehnt des aus Antwerpen stammenden (und dort 1993 auch gestorbenen) Komponisten Karel Goeyvaerts. Ausgehend von der Konzeption des Holland-Festivals, die weitergehend zu New Age-Ideen inkliniert, brachte Direktor Pierre Audi – zugleich Intendant der niederländischen Nationaloper – das Projekt in der Heimatstadt des Komponisten auf die Bühne.

16 Hochsitze wie für Tennisschiedsrichter oder Waidmänner standen hinter dem Symfonisch Orkest van de Vlaamse Opera bereit. Sie wurden von je acht Sängerinnen und Sängern erklommen, die zunächst in Piloten-Montur wie aus der Frühzeit der Luftfahrt gesteckt wurden (und die Blicke gingen denn auch weit hinaus in den Raum). Ein Schauspieler, dem seitwärts vorn ein 17. Hochstuhl zugedacht war, moderierte mit einem kunsttheoretisch getönten Text, der wohl auf Ideen des Komponisten zurückgeht (formuliert wurde er aktuell von Janine Brogt).

Die eigentlich für das Werk vorgesehenen Tänzer kamen nicht zum Einsatz. Das Element der Bewegung ging fast ausschließlich von Projektoren aus. Sie zauberten Wasserbilder an die Wände des schlicht belassenen Theaterraums, moderierten mit Kinderzeichnungen und Sternzeichen. Kompositorisch ist Goeyvaerts in seiner letzten Arbeit von der serialistischen Orientierung, die er in den 50er Jahren eingeschlagen hatte, zugunsten postmoderner Schreibweisen abgerückt. Einflüsse der Minimal music sind so unüberhörbar wie der Rekurs auf Neoklassizismus und – ganz massiv – auf Gustav Mahler. So geriet diese finale Aquarius-Musik so stilrein und schmackhaft wie die flämische Küche.

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Von ähnlicher musikalischer Konsistenz war wenige Tage zuvor – gegeben anläßlich der Eröffnung des Holland Festivals – eine neue große Oper von Rob Zuidam: „Adam in ballingschap“ („Der verbannte Adam“). Ihr liegt ein protestantisches Drama des 1587 in Köln geborenen Dichters Joost van der Vondel zugrunde: eine Nachdichtung der Kapitel 2 und 3 der Genesis, in denen kurz vom paradiesischen Leben berichtet wird, von der Versuchung durch die Schlange und der Verurteilung der ersten Menschen. In aufklärerischer Absicht ersetzte Vondel 1664 das metaphysische Reptil durch den Dämonen Belial, der zusammen mit Luzifer den Aufstand gegen den „schepper“ probte, unterlag und vom Reich der Finsternis aus auf Rache sinnt. Das Lehrstück verhandelt unterm legendären Apfelbaum den Konflikt zwischen Lust und Pflicht. Interessant an dieser Versuchsanordnung ist, daß Eva bereits in den Apfel gebissen und Erkenntnis gehabt hat, während sich Adam noch langwierig mit Gewissensbissen herumplagt.

Eva – die exotische Sopranistin Claron McFadden – wurde musikalisch besser bedient als ihr Partner. Ihre Partie ist mit großen Ariosi und Koloraturen ausgestattet (ähnlich wie die der „Proserpina“ von Wolfgang Rihm in Schwetzingen). Jeroen de Vaal bestreitet die Rolle des Belial in der gastronomisch bestens bespielten Amsterdamer Stadsschouwburg mit frischgepreßtem Tenor. Seine Auftrittsmelodie hat der Komponist als „Volkslied“ geerntet. Allerdings wurde ein Orchesterarrangement untergezogen, als müsse eine Liebesintrige im ‚Brauen Bären’ am Wolfgangsee illustriert werden. So soll heute „die Verführung“ klingen!? Lebenspraktisch kommt sie bevorzugt wohl eher kalorienarm des Wegs, nicht wie in Buttercreme gebettet.

Auch hinten in der Höhe sungen die guten Engel mit feinen Zungen in Formeln einer nicht minder wohlklingenden Neotonalität. Von der mutmaßlich aufklärerischen Funktion des Textes vermittelte sich bei der Uraufführung nichts. Guy Cassiers, der zuletzt in Brüssel die Kinderschänder-Oper „House of the Sleeping Beauties“ beschönigte, ließ einen hohen breiten nackten Rücken auf die Bühne packen, den Arjen Klerkx  – ebenso wie den Rest des leeren Raums – mit raffinierten Video-Projektionen bespielte. Personen-Regie fand wiederum nicht statt. In dieser Hinsicht ist Oberstufen-Schülertheater heute in der Regel elaborierter. 

Pierre Audi hat es dem Publikum an der Nordwestkante Europas denkbar schön besorgt. Daß er seinen Kitsch nun nicht zu den Salzburger Festspielen, deren Intendant er beinahe geworden wäre, exportieren kann, mag ein wenig beruhigen, auch wenn Alexander Pireira für eine vergleichsweise konservative Ausrichtung der Programme sorgt wie der niederländische Theatermogul. Allerdings tut es der Züricher Finanzspezialist mit einer etwas größeren Amplitude und Geschmackssicherheit.

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