Ute Büchter-Römer besuchte die Veranstaltungen „Himmel und Haydn“ am 31. Mai 2009 zum 200. Todestag von Joseph Haydn in der Pfarre Eisenstadt Oberberg und weiß von mehr zu berichten als einer Todestag-Reminiszenz. Werke von Olga Neuwirth und Adriana Hölsky sowie von Franz Hautzinger warfen erstaunliche Tonspuren in die musikalische Welt.
„0.40“ – vergangen, gegenwärtig – die Todesstunde Joseph Haydns am 31. Mai 1809. Klangverknüpfungen über die Zeiten, Lichtprojektion des Sterbehauses an die Fassade der Bergkirche in Eisenstadt: „.. in hora mortis“ – in der Stunde des Todes erklangen Musikwerke, die die Zeiten miteinander verbanden. Franz Hautzinger (geb. 1963) spielte seine Komposition „Endlicht“ auf der Vierteltontrompete, verklingend, aufbäumend, spannend, klar im Ton; von Henry Purcell musizierte das Ensemble Chiaroscuro unter der Leitung von Elfriede Moschitz „Remember not, Lord our offences“, aus dem letzten unvollendeten Streichquartett von Joseph Haydn erklang das „Andante grazioso“, fast modern, sich reibend, ineinander verschränkt in Rhythmik und Melodik, erstaunlich komplex. „super-libera“ ist die Reflexion des „Libera me“ von Haydn durch den Komponisten Gerhard Krammer (geb. 1965), seine Idee ließ die harmonische Struktur der Haydnschen Komposition von rückwärts erklingen, die Textpassagen nur in den Vokalen, neu, bezogen auf die Komposition Haydns, meditativ und klanglich eindringlich, dynamisch differenziert.
Das „Addio..sognando“ von Olga Neuwirth (geb. 1968), ebenfalls eine Uraufführung zu dieser Stunde ließ das Trompetensolo (William Forman) über einen elektronischen Klangraum schwingen, intensiv, mit unterschiedlichen Spieltechniken und dem Einsatz verschiedener Dämpfer schien dies Solo die Klangspuren, genannt „Audiospuren“ zu durchdringen, Klangverschränkungen wurden erreicht, spannend, neu und vertraut zugleich. Die Musik dieser Stunde wurde ergänzt durch unterschiedliche Texte, die Haydns Leben, seine Verfassung in den letzten Lebenstagen reflektierten, es wurde sein „Letzter Wille“ vorgetragen, eidringlich und deutlich gelesen von Erwin Steinhauer und in die Worte, die erzählten, dass Haydn oft das „Kaiserlied“ hören wollte, wurde dies aus dem Haydn-Haus Eisenstadt, gespielt auf einem Hammerflügel, zugespielt. Zuletzt erklang Haydns „Libera me“, ein Bruchstück eines Requiems (ein vollständiges komponierte Haydn nicht), das Haydn 1790 verfasste, anlässlich des Todes von Fürstin Maria Elisabeth Esterházy. Beeindruckt und nachdenklich entließen Komponisten und Musiker das Publikum, das sich überaus herzlich für dieses besondere Konzert „0.40 ,, in hora mortis“ bedankte.
Zu Danken ist auch den Organisatorinnen und Organisatoren dieser Veranstaltung zu Haydns Todestag in der Bergkirche in Eisenstadt. Mit überaus intensivem ehrenamtlichen Engagement gelang es ihnen, die Mittel zur Realisation des Projektes zusammen zu bekommen, das Programm zusammenzustellen, das bewusst andere Fragen stellen wollte und will als rein repräsentative Veranstaltungen dies können. „Was ist der Mensch? Wo kommt er her? Wo geht er hin?“, die Fragen des „Himmels“, die auf die Kirche, die Gemeinde verweisen wollten. Durch die Messe am Pfingstsonntag mit der Aufführung der „Schöpfungsmesse“ von Haydn ist dies in beeindruckender Weise gelungen.
„Himmel und Haydn“ daher auch der Name der Konzerte, Fragen, Antwortsuche, Klang- und Gedankenspuren, verbunden in Liturgie, Text, alter und neuer Musik.
Haydn komponierte kein Requiem, so baten die Veranstalter Adriana Hölszky um die Komposition eines Requiems für Haydn, das sie dann auch „Requiem für H“ benannte. Dies Requiem bildete das zentrale Werk des abendlichen Konzertes in der Bergkirche. Zunächst begann der Schönberg-Chor unter der Leitung von Erwin Ortner mit der Motette op. 69, Nr.1 von Felix Mendelssohn Bartholdy, hörbare und sichtbare Verknüpfung der Komponisten, Haydn starb im Jahr 1809 und Felix Mendelssohn Bartholdy, das romantische Genie, wurde 1809 geboren. Und so umrahmten seine Motetten op.69, Nr.1, der „Trauergesang op.116“ und die Motette „Denn er hat seinen Engeln befohlen“ die Uraufführungen, melodische Dichte, differenzierte Dynamik, adäquat und berührend gesungen vom Schönberg-Chor. Dieser hatte auch die beiden Uraufführungen zu bewältigen. Zunächst „..et lux perpetua“ von Gerhard Krammer, der die Anfangsakkorde von Haydns Schöpfung: „Die Vorstellung des Chaos“zu seiner Ausgangsidee machte.
albtonbewegungen ließen das Dunkel , die Kälte horchen, ja spüren, alles ist leichte, sanfte Bewegung, die kleine Sekunde wird multipliziert, Tremoli und Stimmtechniken des 20.Jahrhunderts verknüpfen sich mit den Sprechstimmen, die wie Instrumente klingen: „und es ward Licht“ .. endet in den höchsten Tönen des Soprans, aufgelöst, atomisiert.
Das „Requiem für H“ für 36stimmigen gemischten Chor von Adriana Hölszky faszinierte durch seine Vielschichtigkeit der Klangereignisse, Verknüpfungen und Klangüberraschungen. Hölszky hatte für dies Requiem mehrere Texte ausgewählt, die Eingangsworte „Requiem aeternam, den Prolog aus dem Johannes-Evangelium „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott“ und das Gedicht „Der Name“ von Rose Ausländer: „Ein Name ohne Lettern ohne Gestalt zu lesen von innen nach rückwärts nach unten nach oben nach allen Richtungen…“! Im Mittelpunkt der Komposition steht ein Solistenensemble, die immer wieder aus dem Gesamtchorklang heraustreten, sie bilden die Achse des musikalischen Geschehens. Die Gruppierungen der anderen Stimmen wechseln in ihrer klanglichen Gestalt, das Unfassbare, wie Rose Ausländer es sucht wird Gestalt, Klangräume entziehen sich, brechen neu auf, erzeugen Spannung untereinander, Relation zwischen Hörer und Musik wechselt, der Hörer kann nicht linear hören, es geschieht zu viel, vertikal verändern sich die Perspektiven, die Wahrnehmung richtet sich immer auf andere Teilchen des Gesamten, fokussiert wie im Film immer veränderte und sich verändernde Klangwelten. Symbol der Gleichzeitigkeit von Gedanken im Gedanken, der Erlebnisintensität des Lebens als Teilchen, Partikel des Geschehens, der nicht passenden Strukturen übereinander gelagert. Der Schönberg-Chor unter dem Dirigenten Erwin Ortner bewältigte die überaus schwierige Partie, die jedem einzelnen Chormitglied äußerste Konzentration und Stimmgewandheit abforderte mit Bravour. Brawos aus dem Publikum für Ausführende und Komponistin.
Ein großes, ungewöhnliches Requiem für Haydn! Eine besondere Veranstaltung für Haydn.