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Herausragender Lautenist: Eduardo Egüez spielt am 26. AUgust in Hersbruck. Foto: Veranstalter
Herausragender Lautenist: Eduardo Egüez spielt am 26. AUgust in Hersbruck. Foto: Veranstalter
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Hochkarätige Unikate: am 20. August beginnt das 12. Internationale Gitarrenfestival Hersbruck

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Als der Gitarrist Johannes Tonio Kreusch im vergangenen Jahr auf Lanzarote Urlaub machte, schwärmte ihm sein Hotelier, ein Hobbygitarrist, von einem Festival in Deutschland vor, das er demnächst erstmals besuchen werde. Auf die Nachfrage, wo das denn sei, lautete die Antwort „Hersbruck“. Was Kreusch ebenso erstaunt wie geschmeichelt haben dürfte: Ist doch er selbst dort seit sechs Jahren der künstlerische Leiter.

Diese sechs Jahre sind auch in etwa der Zeitraum, in dem aus einer lokalen Veranstaltung einiger Begeisterter im Nürnberger Umland ein international beachtetes Festival wurde, dessen Arm weit reicht, viel weiter als nur bis nach Lanzarote. Zu verdanken ist dies den Kontakten und der konzeptionellen Weitsicht Kreuschs, aber auch einigen günstigen Umständen.

Zum einen verfügt man anders als viele andere Festivals über ein echtes Festivalzentrum. Das etwas außerhalb am Waldrand gelegene AOK Schulungszentrum, in dem sonst Azubis aus ganz Deutschland diverse Schulungen zum Sozialversicherungsfachangestellten besuchen, mag kein Sternehotel sein, als Dreh- und Angelpunkt ist es ideal: Hier wohnen und essen fast alle Teilnehmer, hier kommen sie zu den Workshops zusammen, schwärmen sie zu den Konzerten in die benachbarte Weinkellerei Raum – das Lager der Abfüllanlage wird hier zu einem formidablen Konzertsaal mit ganz eigener Atmosphäre –, in die Kirchen der Stadt oder den „Dauphin Speed Event“ – wo der Saal von einer privaten Oldtimersammlung umrahmt wird, die ihresgleichen sucht – aus und bereiten das Ganze im Bierstüberl meist bis spätnachts nach. Selbst Stars kommen hier nicht nur zum Auftritt, sondern geben stets Meisterkurse, sind meist mehrere Tage da und haben so das zugleich professionelle wie familiäre Klima schätzen gelernt.

Zum anderen steht die 14 000 Einwohner des Städtchens inzwischen über alle Parteigrenzen hinweg wie ein Mann hinter dem Ereignis, das einst als Steckenpferd des Altbürgermeisters begonnen hat. Rahmenbedingungen, die es Johannes Tonio Kreusch inzwischen ermöglichen, nahezu jeden Wunsch-Gitarristen nach Hersbruck zu lotsen – und wenn das Werben ein paar Jahre dauert. Anders als bei den meisten anderen Gitarrenfestivals hat man dabei in Hersbruck das Spektrum bewusst offen gelassen: Von der Klassik über Gypsy Swing und Flamenco, vom Fingerstyle über Südamerikanisches bis zum Rock, hier bekommt man alles geboten – und gelehrt. Auch, dass das Festival wegen der Verfügbarkeit des AOK-Ausbildungszentrums immer im August stattfindet, hat sich als Glücksfall erwiesen: Wenn anderswo der Kulturbetrieb ruht, hat man hier die Aufmerksamkeit für sich. Und selbst vielbeschäftigte Gitarristen haben noch Termine frei.

Für die Macher ist das alles freilich kein Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Wenn nun vom 20. bis 27. August die 12. Ausgabe des Internationalen Gitarrenfestivals ansteht, hat man wie meistens wieder einiges verändert und verbessert, angefangen von der erstmals vorab angesetzten Pressekonferenz, zu der zwar nicht viele Journalisten kamen, die dafür aber als Forum und Kitt für die vielen, oft ganz kleinen Sponsoren hilfreich war. Das Seminarangebot ist noch breiter aufgefächert und spricht ganz generell alle Musiker an, „Richtig Üben“, „Gesamtkörper-Koordination“, „Stilbewusste Improvisation von Anfang an“ oder „Ensemblespiel“ zum Beispiel. Neu konzipiert ist auch das große Finale. Statt des kaum ins Festival passenden Aufmarschs von Rockveteranen der zweiten Garde wie in den vergangenen Jahren setzt Johannes Tonio Kreusch auf Weltklasse-Weltmusik - und auf die Familie. An der Seite des bei den Bandworkshops bewährten Gitarristen Stephan Bormann steht das seines Bruders, des international renommierten Jazzpianisten Cornelius Claudio Kreusch, mit den großartigen Perkussionisten Zaf Zapha aus Französisch-Guyana und Lukmil Perez Herrera aus Kuba für das Abschlusskonzert mit Jamsession für Einsteiger bereit.

Bis dahin aber sind bereits absolute Meister des Saitenspiels Spalier gelaufen. So schon zum Auftakt am Samstag, 20. August, bei einer Noche Flamenca der spanischen Superstar Rafael Cortes mit seiner Grupo. Zum wiederholten Mal gibt sich Eliot Fisk, der „Paganini de Gitarre“ die Ehre (Dienstag, 23. August). Die hohe Kunst des Gypsy Swing auf den Spuren von Django Reinhardt zelebriert diesmal Joscho Stephan mit Band (Montag). Zur Halbzeit am Mittwoch gibt es wie immer eine Fingerstyle Night, bei der diesmal Michael Langer, Bob Bonastre und Don Ross die Fans dieser amerikanisch gefärbten Kunst an den Nylonsaiten verzücken. Drei Ausnahmekönner präsentieren sich auch am Donnerstag, der ganz im Zeichen weltmusikalischer Vielfalt steht: Mit TheGothenburgCombo, dem in aller Welt erfolgreichen Gitarrenduo mit David Hansson und Thomas Hansy; mit Andy York – als Mitglied des Los Angeles Guitar Quartet Grammy_Gewinner in der Kategorie „Crossover“ –, der erst solo auftreten und dann mit dem Festival-Gitarrenensemble eine einstudiertes Stück uraufführen wird; und mit dem brasilianischen Virtuosen Carlos Barbosa-Lima, der das erste Mal überhaupt in Deutschland spielt.

Historisch wird auch der Sonntagabend, wenn (als Festivalpremiere) auf alten Instrumenten musiziert wird, genauer gesagt auf Biedermeiergitarren. Dafür ist der Tscheche Pavel Steidl der absolute Spezialist. Mit ihm in Richtung historische Aufführungspraxis wandern Paul Galbraith – der sich zugleich mit seiner selbst entworfenen, achtsaitigen und Cello-artigen Brahms-Gitarre auch als großer Experimentator und Innovator präsentiert – und der Festivalleiter höchstpersönlich: „Das alte Instrument bedeutet eine gewaltige Umstellung, ich musste kräftig üben“, berichtet Johannes Tonio Kreusch. Zu den Ursprüngen des gezupften Klangs geht es am Freitag mit dem Argentinier Eduardo Egüez, einem herausragenden Vertreter der Lautenisten neuer Generation.

Jedes Konzert also ein hochkarätiges Unikat – jetzt muss man nur noch Karten ergattern. Das wiederum ist in Hersbruck gar nicht mehr so einfach.

12. Internationales Gitarrenfestival Hersbruck, 20. Bis 27. August
Telefon 09151/ 735 150
www.gitarre-hersbruck.de

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