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Hölderlin-Präsenz: Das Rosamunde Quartett mit Luigi Nonos Streichquartett in München

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Streichquartette gibt es ohne Ende, doch zeitgenössisches Repertoire haben die wenigsten im Programm. Da wird die Zahl kompetenter Ensembles überschaubar. Das Münchner Rosamunde Quartett hat sich unter diesen wenigen schon lange einen renommierten Platz erspielt, obwohl es zunächst gar nicht aus der Neue-Musik-Ecke stammt, sondern sich diese Welt erst nach und nach und dabei sehr eigenwillig erschlossen hat.

Namen wie Arvo Pärt, Tigran Mansurian und Valentin Silvestrov stehen nur scheinbar willkürlich neben solchen wie Thomas Larcher, Dmitri Schostakowitsch, Astor Piazolla, Anton Webern oder Luigi Nono. Dessen Streichquartett „Fragmente – Stille, An Diotima“ ist seit den frühen 90er-Jahren im Repertoire des Rosamunde Quartetts und kam jetzt endlich im Rahmen der quartetteigenen Konzert-Serie „aus dem quartettbuch“ auf ein Münchner Konzertpodium.

Obwohl das Streichquartett ein Kind der klassisch-romantischen Epoche ist, gibt es dennoch so gut wie keinen Komponisten des 20. Jahrhunderts, der sich nicht an dieser Gattung versucht hätte. Auch Luigi Nono fühlte sich herausgefordert, sich das „bourgeoise“ Format anzueignen – Teile seines Publikums sparten nach der Uraufführung 1980 durch das La Salle Quartett auf dem Beethovenfest Bonn nicht mit Anfeindungen deswegen.

In der Historischen Aula der Akademie der Künste verzichteten Andreas Reiner, Diane Pascal, Helmut Nicolai und Anja Lechner auf die übliche Praxis, dem etwa vierzigminütigen Opus ein zweites Werk gegenüberzustellen und luden stattdessen den Hölderlin-Herausgeber D.E. Sattler zur Lesung ein. Nono hatte den Musikern 46 kurze Hölderlintexte wie Spielanweisungen in die Partitur notiert, mit einem gleichzeitigen Verbot: „Die Fragmente, alle aus Gedichten von F. Hölderlin, die in der Partitur aufgenommen sind, sollen in keinem Falle während der Aufführung vorgetragen werden, in keinem Falle als naturalistischer, programmatischer Hinweis für die Aufführung verstanden werden.“

Nono spricht in dieser Anmerkung auch von „schweigenden Gesängen“ für die Musiker. Der Wille des Komponisten wurde dadurch respektiert, dass D E. Sattler keine Lesung der Fragmente veranstaltete, sondern quasi als Ouvertüre vom Konzertpodium herab vier Gedichte seiner Wahl rezitierte und dazwischen leidenschaftlich darüber nachdachte, was die „Geheimere Welt“ Hölderlins mit derjenigen von Luigi Nono verbindet. Sattler hat Nono nie getroffen. Es ist jedoch belegt, dass Nono seine Frankfurter Hölderlinausgabe kannte und dass sich ihm durch deren editorische Machart Hölderlins simultane Schreib- und Denkweise erschlossen hatte: „Aber in dieser Zeit war Hölderlin, sein Denken, in mir ganz präsent.“

Fragmente – Stille: im Titel des Streichquartetts verbergen sich Struktur und Spielanweisung des Werks, eine Aneinanderreihung von kurzen, gestischen Klanginseln, verbunden durch minuziös auskomponierte Fermaten. Dem Rosamunde Quartett gelang eine kompakte Aufführung ohne Hast: Klänge getragen wie von einem einzigen inneren Puls der vier Streicher. Rosamunde breitete die Raffinesse von Nonos Klangtexturen aus, verband die einzelnen Momente in einer großen, langen Steigerung bis hin zum Zitat einer Renaissance-Melodie durch die Bratsche (Ockeghems Chanson „Malheur me bat“) und gestaltete jedes einzelne piano pianissimo detailreich bis hin zum endgültigen Verklingen des Stückes in eine lange Stille vor dem zurecht begeisterten Applaus.

Dem Klang nachhören, ihn voraushören – darauf komme es bei den Fragmenten an, bemerkte Cellistin Anja Lechner in einer nach dem Konzert von Musikwissenschaftler Jürg Stenzl moderierten Gesprächsrunde. Neue Klänge voraushörend bleibt noch, auf das nächste Konzert der Serie „aus dem quartettbuch IV“ am 16. Oktober hinzuweisen mit Werken von Boris Yoffe. J.S. Bach, Joseph Haydn und Arvo Pärt.

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