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Foto: Wilfried Hösl
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Hoffmann beim Kindergeburtstag: musikalisch glänzende, szenisch enttäuschende Offenbach-Premiere in München

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„Les contes d’Hoffmann“ zählte nicht zu Carlos Kleibers zuletzt immer weiter reduziertem Repertoire. Dirigiert hat er Jacques Offenbachs „fantastische Oper“ nur in der Frühphase seiner Karriere an der Deutschen Oper am Rhein. Und vielleicht klang es da ein wenig so, wie nun an der Münchner Staatsoper unter der Leitung des frisch mit dem Kleiber-Preis dekorierten Constantinos Carydis. Den Akklamationen nach zu urteilen hat er den Sängerstars dieser Eröffnungspremiere die Show zwar vielleicht nicht gestohlen, sie ihnen aber zumindest streitig gemacht.

Man meinte phasenweise, ein neues Stück zu hören, als der griechische Dirigent mit dem hörbar enthusiasmierten Bayerischen Staatsorchester den ersten Auftritt des Schurken vom Dienst Lindorf kommentierte, als er in den Aktvorspielen die Bläser in feinsten Nuancen abgestuft sehr präsent in den Gesamtklang einbettete oder in manchen Arien und Ensembles agogische Details in kleine Ausrufezeichen verwandelte.

Für die Sänger bedeutete dies eine stärkere Einbeziehung in den musikdramatischen Zusammenhang, als es sonst in dieser Oper der Fall ist, der bisweilen der Zerfall in Einzelnummern droht. Das Ensemble genoss diesen von Carydis souverän unter Spannung gehaltenen Bogen sichtlich und präsentierte sich bis in die kleineren Rollen hinein ebenso auf Staatstheater-Niveau wie der agile, rhythmisch pointierte und klangsensible Chor.

Bis auf John Relyeas zwar voluminöse, aber etwas monochrome Verkörperung der vier dämonischen Gegenspieler Hoffmanns waren auch die Hauptpartien glänzend besetzt, wobei Angela Brower als Nicklausse mit ausgezeichneter Diktion und nuancenreichem Timbre das Kunststück gelang, den Stars des Abends mehr als Paroli zu bieten.

Diana Damrau vermochte jeder der drei Sopranpartien ein ganz eigenes vokales Gepräge zu verleihen: die Olympia-Arie meisterte sie mit aberwitzigem Koloraturmechanismus, war dann aber eine anrührende, plötzlich warm und dunkel timbrierte Antonia, um als Giulietta schließlich eine leicht frivole Färbung in ihren Stimmklang zu mischen.

Gegenüber dieser sensationellen Leistung musste sich Rolando Villazón seinen Platz mitunter hart erkämpfen. In Gestaltungskraft und Bühnenprasenz ein idealer Hoffmann, fehlt seiner Stimme derzeit ein wenig die für Offenbach nötige Leichtigkeit, Leuchtkraft und Schärfe der Textbehandlung. Dass er dennoch ein bestechend charakterisiertes Klein-Zack-Lied zu gestalten, das nicht unbegrenzt zur Verfügung stehende Volumen immer wieder klug zu dosieren weiß und so in den vielen Ensembles, an denen er beteiligt ist, seine Präsenz vom einem zum anderen Moment steigern und zurücknehmen kann, weist ihn als Sänger von Weltklasse aus.

Seine darstellerischen Qualitäten hätte Richard Jones noch viel stärker einsetzen können, wie überhaupt dem englischen Regisseur zu Offenbachs diffizil verschachteltem Künstlerdrama nicht viel eingefallen ist.

Als Einheitsraum (Giles Cadle) verwandelt sich Hoffmanns Stube mit wechselndem Mobiliar und variablen Lichtkonzepten in die Stationen seiner noch einmal durchlebten, vielleicht aber auch nur für seine Zuhörer imaginierten Liebesdesaster. Im Olympia-Akt spielt sich dieses beim Kindergeburtstag ab, dem Olympia-Barbie hellblau-wasserstoffblonden Trash-Glamour verleiht. Romantisches Gruseln verströmt Antonias Behausung: Aus dem Tafelklavier tönt durch ein Loch in der aufgeschlagenen Partitur des Doktors unheilvolles Organ, das Grammophon erwacht unter den Gesängen der toten Mutter zum Leben. Das eher zweckorientierte denn verführerische Boudoir der Giulietta wird von jenem Spiegel dominiert, den Hoffmann schon in der ersten, stummen Szene vor Einsetzen der Musik angewidert beiseite geschoben hatte. Dem nunmehr überlebensgroßen Spiegel, mithin der Konfrontation mit dem verstörten Ich kann der Dichter nicht mehr ausweichen.

All das verharrt freilich im szenisch Harmlosen, liebenswürdige Details wie die auf den Zwischenvorhang von Hoffmann und seinen Begleitern hingerauchten Schriftzüge verlieren in der Wiederholung ihren Reiz. Auch was die Werkfassung betrifft, hat Richard Jones keinen großen Wurf abgeliefert, zu beliebig, nicht auf ein Inszenierungskonzept hin gedacht, wirken die getroffenen Entscheidungen auf der Basis der nicht konsequent genutzten neuesten Edition (Michael Kaye/Jean-Christophe Keck).

Die verdienten Buhs für die Regie gingen im allgemeinen Premierenjubel unter.

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