Bei einem Konzert an der Mannheimer Popakademie stellten die Preisträger des Kompositionswettbewerbs „Hugo Wolf und der Song“ ihre Werke vor. Den ersten Preis erhielt Rainer Ammann, den zweiten David Kirchner, der dritte Preis ging an die Band „Die Herren Schneider“. Die Hugo-Wolf-Akademie und die Ludwigsburger Schlossfestspiele hatten den Wettbewerb gemeinsam mit der Popakademie initiiert; er richtete sich an Studierende der Popakademie. Für die Studierenden des Studiengangs „Singer-Songwriter“ war die Teilnahme verpflichtend. Es gab sechs Einreichungen.
Aufgabe beim Wettbewerb war es, einen dreiteiligen Liederzyklus zu den Themen „Abschied und Neubeginn“, „Vor dem Aufstieg“ oder „The Long Goodbye“ in deutscher Sprache zu komponieren. Dabei sollten die Studierenden besonders auf ganzheitliche Verbindung von Text und Musik Wert legen, so wie es Hugo Wolf auch tat. Dr. Cornelia Weidner ist Geschäftsführerin der Hugo-Wolf-Akademie und Jury-Mitglied: „Das Spannende war, wie unterschiedlich die Einreichungen waren.“ Dennoch war der erste Platz war für die Jury eindeutig. Udo Dahmen, künstlerischer Direktor der Popakademie und ebenfalls Mitglied der Jury, hat Ammans Stück überzeugt, vor allem mit seinen selbst geschriebenen Texten und dem lyrischen Moment. Den Wettbewerb und die Berührung mit der Klassik findet er wichtig: „Wir glauben, dass die Popmusik heutzutage Nachfolger von Kunstliedern sein kann.“ Dies weiterzuführen und eine adäquate Übersetzung des Kunstlieds in die heutige Zeit, sei nun die Aufgabe der jungen Generation.
Preisträger Rainer Ammann ist dieser Aufgabe nachgegangen und hat sich intensiv mit dem Kunstlied-Komponisten der Spätromantik, Hugo Wolf, auseinandergesetzt: „Hugo Wolf hat die Schattenseiten des Lebens kennengelernt und krasse Sachen erlebt.“. Dabei glänzen Ammans Augen. Der Student in schwarzer Hose und weißem Hemd hat seine Haare nach hinten gebunden, sitzt vor der Popakademie, steckt sich eine Zigarette an und erklärt: „Mir ging es darum, dass der Text musikalisch unterstützt wird und es trotzdem noch ein Popstück ist. Bei der Weite und der Tiefe muss zum Beispiel der Bass mit einem Fünf-Saiter anrücken, damit ich auch die Tiefe von der Tonlage her entsprechend bekomme.“ Ammann hat einen Liederzyklus mit einer Liebesgeschichte in drei Teilen geschrieben: „Vor uns das Meer (Hoffnung), „Dein Glück (Enttäuschung)“, und „Vielleicht (Verarbeitung (Neues/Altes)“. Darin hat er auch eigene Erfahrungen verarbeitet.
Im Gegensatz zu den anderen Preisträgerstücken ist hier ein klarer Zyklus mit Entwicklung erkennbar. Der Text ist gut verständlich; es gibt eine Aufteilung in Strophe und Refrain. Es geht um Glück und Enttäuschung, um die Tötung mit der Wahrheit. Im zweiten Lied heißt es: „Dein Schweigen tonnenschwer Tag und Nacht/ Du willst mich schonen und schaufelst mir ein Grab.“ Diese Gegensätze hat er mit Dur und Moll dargestellt; mit der Mischung von 4/4 und 7/8-Takt möchte er Beklemmung erzeugen. Zu jedem Stück wird beim Auftritt mit Beamer ein anderer Hintergrund an die Wand geworfen, passend zur Stimmung des Stücks. Auf der Bühne wirkt alles stimmig: Musik, Text und Band-Musiker bilden eine Einheit. Allerdings ist die Musik so laut, dass besonders für Klassik-Hörer Ohropax von Nöten sind.
Ammann hat nicht nur den ersten Preis erzielt; er ist auch Sänger der Band „Die Herren Schneider“, die mit dem dritten Preis ausgezeichnet wurde. „Unsere Stücke sind eine Gruppenkomposition: Wir lesen einander die Gedichte von alten Dichtern vor und dann hat jeder eine Idee. Die beste Idee gewinnt.“ Sie komponieren aus dem Gefühl heraus, erzählt er. „Eben das, was das Gedicht braucht, was den Inhalt unterstützt oder aus dem Kontext reißt.“ Die Band vertont häufig Texte von Dichtern. An zwei der drei Stücke saß die Band ohnehin gerade. Ergebnis sind drei Popstücke, davon eines im Dreier-Takt; es klingt nach Zirkus. Besonders die Performance der Band unterhielt das Publikum bestens, u.a. unterstützt durch die ausgefallene Garderobe mit Frack, Zylinder und Korsettkleid.
Den zweiten Preis erzielte David Kirchner mit „Ich gestehe alles“, „Ich will nichts wissen“ und „Abendrot“. Beim Auftritt nimmt der Gitarrist und Sänger das Mikrophon in die Hand: „Ich glaub, ich muss mal was sagen, denn ich hab so’n Preis gewonnen.“ Der Text seiner Kompositionen ist gut verständlich, darauf hat er besonders geachtet. Allerdings: „Ich habe nicht versucht, Hugo Wolf zu imitieren, sondern ganz normal komponiert, wie sonst auch.“
Dr. Cornelia Weidner von der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie ist zufrieden mit dem Ausgang des neuen Wettbewerbs. Es wird überlegt, bei einer erneuten Ausschreibung nicht nur Studierenden der Popakademie eine Chance zu geben; auch Studierende von Popstudiengängen an Musikhochschulen sollen Stücke einreichen dürfen.