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Pankowerin spielt "Mädchen aus Ostberlin" in Lindenberg-Musical. Foto: ddp
Die 23jährige Pankowerin Josephin Busch spielt "Mädchen aus Ostberlin" in Lindenberg-Musical. Foto: ddp
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"Im Moment sind die Zeiten ein bisschen open" – Kulturarbeiter Udo Lindenberg im Interview

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Panikrocker und Maler Udo Lindenberg zeigt ab heute eine Ausstellung in Berlin mit 40 seiner bekanntesten Kunstwerke unter anderem zur deutschen Einheit. Anfang 2011 kommt Lindenbergs neues Musical "Hinterm Horizont" über das "Mädchen aus Ostberlin" auf die Bühne, und ein eigenes Museum ist im Gespräch. Im Interview erläutert der 64-Jährige seine Sicht auf 20 Jahre deutsche Einheit und neue Pläne.

dapd: Sind alle Blütenträume der Menschen in Ost und West gereift?

Lindenberg: Nein, noch lange nicht. Die versprochenen blühenden Landschaften, das dauert ja alles noch ein bisschen. Es ist vieles erreicht worden, etwa über den Soli, und viele andere Länder hätten das wahrscheinlich nicht so hingekriegt, vor allem in diesem absoluten Schnellverfahren. Und wenn ich solch eine Ausstellung eröffne, sehe ich mich selbst auch in meiner Tradition, über meine Lieder, Honecker und Mauerfall, Checkpoint Charlie und Trallala, wie man Löcher in die Mauer reingesungen hat. Ich war ja zu der Zeit in den 80er Jahren auch in Berlin.

dapd: Was würdest Du heute einem 20-Jährigen zur Entstehungsgeschichte Deines Songs "Mädchen aus Ostberlin" erzählen?

Lindenberg: Dass das Lied aus zwei Erlebnissen besteht, aus einer Art Vorahnung schon in den 70er Jahren und einer wahren Begebenheit, die dann 1983 im Palast der Republik war. Die wahre Begegnung mit dem Mädchen aus Ostberlin fand ja erst 1983 statt. Wir zeigen ihre Entwicklung und ihre Lebenslüge, wie sie sich arrangiert hat damals in der DDR und wie wir jetzt nach all den Jahren zueinander finden.

dapd: Würdest Du ein Bild zu 20 Jahren deutsche Einheit eher bunt malen oder schwarz-weiß?

Lindenberg: Eher ein buntes. Ein bisschen die Bunte Republik Deutschland.

dapd: Was ist Dir an Deinem neuen Musical "Hinterm Horizont" besonders wichtig?

Lindenberg: Dass es sehr authentisch wird, keine Ostalgie-Klamotte. Auch keine Komödie, nicht der VEB-Schuh des Manitu. Sondern eine Geschichte, die mehr an der Wahrheit als an der Dichtung gebaut ist, "Romeo und Julia", man könnte sagen, die "East Side Story". Also eine wahre Geschichte, fast eine Familienzusammenführung.

dapd: Welche Botschaft soll "Hinterm Horizont" vermitteln?

Lindenberg: Das ist ein Stück deutsch-deutsche Vergangenheit, bei dem es darum geht, jetzt damit klarzukommen und die Zukunft zu gestalten, sich näherzukommen und sich irgendwann doch irgendwie in den Armen zu liegen und zu sagen: Pass mal auf, wir sind hier ein Kulturkreis, und wir pushen jetzt hier nach vorne, denn wir werden unserer Verantwortung gerecht, wir haben hier in der Mitte Europas friedenspolitische Impulse in die Welt auszusenden. Perspektiven entwickeln wie einst Politiker wie Willy Brandt. Es muss darum gehen, dass von Deutschland wieder mehr Power ausgeht als noch im Moment. Jeder fünfte Westdeutsche war noch nie im Osten, das ist natürlich traurig. Im Osten werden ganze kleine Städte entvölkert, alle hauen da ab. Das sind Entwicklungen, gegen die man ansteuern muss.

dapd: Jetzt die Ausstellung, im Januar das Musical - was folgt danach?

Lindenberg: Wir werden ein MTV-Unplugged-Ding machen, aber erst Mitte nächsten Jahres. Dazu werden wir noch ein paar neue Songs machen und ein paar fantastische Duette. Es ist mein erstes Unplugged-Album. Also eher ein Abenteuer wie das meiste, was wir so machen. Die Spannung bleibt, das hält mich auch frisch.

dapd: Apropos nächstes Abenteuer: Wann können Deine Fans mit einem Udo-Lindenberg-Museum rechnen?

Lindenberg: Es gibt ja jetzt in Hamburg eine Sammlung mit meinen Bildern, meinen Zyklen, auch über Faust, die Zehn Gebote, Checkpoint Charlie und so. Und das kommt entweder nach Hamburg oder - wenn es hier aus irgendwelchen Gründen nichts werden sollte - dann geht es nach Berlin oder auch nach Nordrhein-Westfalen. Das wird eine spannende Sache, denn es wird nicht nur über Udo und Panik erzählen, sondern das wird eine Art Fenster ins Zeitgeschehen, in die Geschichte der Bunten Republik Deutschland, die ja jetzt immer bunter werden soll, jeden Tag mehr eine bunte, weltoffene Republik. Dazu will ich als Kulturarbeiter beitragen, dass nicht alles im Gleichmaß erstickt.

dapd: Heißt das notfalls sogar, dass Du Hamburg den Rücken kehrst?

Lindenberg: Ganz den Rücken kehren sicher nicht, denn hier habe ich zu viele gewachsene Connections. Es kann aber sein, dass ich mich einer anderen Stadt vielleicht mehr zuwende und dort vielleicht auch mehr Zeit verbringe. Sollte das Berlin sein, wäre das nicht so ein Drama, das liegt ja hier gleich um die Ecke. Wie gesagt, im Moment sind die Zeiten ein bisschen open, auch das gehört zum Abenteuer meines Lebens. Aber es wäre schade, wenn ich hier aus Hamburg wegmüsste.

 

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