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„Innsbruck, ich muss dich lassen“: Brigitte Fassbaender beendet ihre Intendanz am Tiroler Landestheater

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„Standing Ovations“ nach Verdis „Falstaff“: Mit „Alles ist Spaß auf Erden“, dem weisen, witzigen Ende der Oper der Irritationen, Intrigen und menschlichen Schwächen, verabschiedete sich die Intendantin Brigitte Fassbaender von ihrem Publikum in Innsbruck.

Als Regisseurin des „Falstaff“ lässt sie die Sänger und Sängerinnen die Figuren mal tollpatschig, mal intrigant, mal ironisch überzeichnet singen und spielen,  mal grotesk gemalt, aber immer im Sinne Verdis, den erst Arrigo Boito zu einer heiteren Oper überreden musste nach so vielen Stücken mit dem Ausdruck von „Klagen und Schmerzen“. Brigitte Fassbaender kostet in ihrer Interpretation des Stückes den Witz, den „Spaß“ aus, bleibt aber immer im Bezug zu den von Verdi musikalisch geschaffenen Figuren. Falstaff wirbt mit identischen Briefen um zwei Frauen, die ihm Geld verschaffen sollen. Er landet über die Station des Wäschekorbes in der Themse, danach ist das Spiel mit ihm aber noch nicht zu Ende. Alle treffen sich im Wald, der Wald als Kneipe, verkleidet, im Tierkostüm oder – in Assoziation auf die Entstehungszeit des Ausgangstextes von Shakespeare – in den Kleidern seiner Zeit. Mummenschanz, Verwechslungsspiel, zuletzt wird auch das „richtige“ Liebespaar zusammengeführt.

Sänger und Sängerinnen des von Brigitte Fassbaender  aufgebauten Ensembles und das Tiroler Landesorchester wurden von Christoph Poppen souverän dirigiert. Das Publikum spendete langen Applaus und Brigitte Fassbaender wurde mehrfach auf die Bühne geholt. „Standing Ovations!“ Sie hatte sich in ihrer Funktion als Intendantin bereits im Programmbuch des Theaters für die für sie besonders fruchtbare Zeit am Innsbrucker Theater bei ihrem Publikum bedankt: „13 Jahre sind eine lange Zeit – sie ist mit intensivster Arbeit vergangen, wie im Fluge. Wenn man eine Intendanz antritt, übernimmt man das Theater als ‚Leihgabe‘ für eine gewisse Zeit, in der man verantwortlich ist für buchstäblich alles, was mit diesem Theater zu tun hat. Nun gebe ich die ‚Leihgabe‘ zurück – in gutem Zustand, wie mir scheint. Den nachfolgenden Verantwortlichen wünsche ich Fortune und die Gunst der Theatergötter, wie sie mir beschieden war. ‚Innsbruck, ich muss dich lassen‘. Die hier verbrachten 13 Jahre sind ein unverlierbarer, kostbarer Besitz. Sie waren von entscheidender Bedeutung für mein Leben, ungeheuer kreativ und lehrreich. Dafür danke ich Ihnen, verehrtes Publikum.“

Der Aufführung des „Falstaff“ am Ende der Spielzeit gingen zwei weitere Aufführungen voraus, die die Vielfalt der Arbeit Brigitte Fassbaenders verdeutlichten. Benjamin Brittens  „Albert Herring“ und das Musical „Shylock“ mit der Musik von Stephan Kanyar und dem Libretto von Brigitte Fassbaender.

Die Inszenierung des „Albert Herring“ führt in die Welt gespielter Tugend, verdeutlicht diese heitere Oper des 20. Jahrhunderts doch das durch List sich entladende Freiheitsbedürfnis des „Maikönigs“ Albert, der viel zu brav sich den Anweisungen seiner Mutter fügt. Zuletzt erreicht auch er sein eigenes persönliches Glück. Auch hier also „Alles ist Spaß auf Erden“? Nicht ganz. Die Geschichte scheint witzig, öffnet aber den Blick auf die Verlogenheit einer Gesellschaft, die – aus Mangel an Möglichkeiten und voller Verklemmtheit – diese als Tugend benennt und in dem Augenblick, als sich ihre Vorstellung von dem so tugendhaften jungen Mann aufhebt, ihn mit kollektivem Zorn bestraft. Brittens Musik lässt Spiel zu, ironisiert die einzelnen Figuren und zeigt an einzelnen Passagen eine ehrliche Gefühlswelt auf. Eine leichtfüßige und doch tiefgründe Regiearbeit Brigitte Fassbaenders.

In eine völlig andere Welt führt das Musical Shylock. „Ihr habt mir das Herz aus dem Leib gerissen“, klagt Shylock, der als Jude von Jugend an Hänselung, Ausgrenzung, Missachtung erfährt, besonders von seinem Widersacher Antonio. Der haftet mit einem „Stück von seinem Fleisch“ für den Kredit, den Shylock dessen Freund Bassanio gewährt. Antonio verliert seine Schiffe und kann nicht zahlen. Shylock besteht auf seinem „Stück Fleisch“. In Rückblenden und beeindruckenden Szenen wird die Figur des Juden mit seinen tiefsten Verletzungen gezeichnet. Der Text bezieht sich auf Shakespeares „Kaufmann von Venedig“, ein vielschichtiges Stück, faszinierend in seiner Mehrdeutigkeit. Diese Mehrdeutigkeit wird im Musical hervorgehoben, durch klare Textpassagen und eine eingängige Musicalsprache.
Alle drei Aufführungen trugen so die klare und überzeugenden Handschrift Brigitte Fassbaenders, in Regie oder Textgestaltung. Die dreizehn Jahre ihrer Intendanz in Innsbruck haben ein Spur gezeichnet, die sicher nicht leicht in ihrer Intensität und beharrlichen künstlerischen Arbeit weiterzuführen ist.

Brigitte Fassbaender verlässt Innsbruck voller Pläne: zum Meisterkurs mit jungen Leuten beim Eppaner Liedsommer und zu verschiedenen Inszenierungsarbeiten in Wien, Graz und Frankfurt.
 

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