Der Premiere des „Lohengrin“ bei den Bayreuther Festspielen ging am Mittag die Premiere des „Tannhäuser“ voraus, in einer achtzigminütigen, pausenlosen Fassung für Kinder. Die von zusätzlichen Sponsoren ermöglichte Produktion wurde – wie bereits im Vorjahr der „Fliegende Holländer“ – auf der Probebühne IV des Festspielhauses realisiert. War die Verwandlung in eine Spieloper mit zeitsparenden Dialogen im Vorjahr gelungen, so erwies sich die Übertragung dieses Erfolgskonzeptes auf Richard Wagners „Tannhäuser“ als äußerst problematisch.
In den fachmännisch umgesetzten Kostümentwürfen der Berliner Nelson-Mandela-Schule, die aus einem deutschlandweiten Wettbewerb als Sieger hervorgegangen war, wird der Konflikt des schaffenden Künstlers in die Welt heutiger Jugendlicher verlegt. Tannhäuser bricht aus dem Internat aus und begegnet der surfenden Venus, die ihn mit in ihr Reich von Plastik und Popkunst nimmt, zum Strand der weißen Spinnen und kuscheligen Krakenarme. Aber Tannhäuser muss wieder zurück ins Internat – und zur Nichte des Schulleiters, die Wolfram als zweitbesten Freund hat. Hier, inmitten digitaler Reihen auf Schultafeln, singt Tanni nun von Venus, die auch selbst naht und die anderen mit ihrer frechen Farbigkeit verstört. Tannhäuser bekommt als Strafe ein Jahr Rom verordnet (in der Villa Massimo?). Während seiner Abwesenheit hat Elisabeth viel an ihn gedacht und farbig gemalt, am Ende vermischen sich die Welten von farbiger Kunst und uniformer Schulwelt.
Die Produktion der BF Medien GmbH wurde gemeinsam mit dem Studiengang Musiktheaterregie der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin realisiert. Immer wieder bezieht Regisseurin Reyna Bruns die Kinder mit ein, – etwa zum Aufräumen der Schlafräume und zum Einsammeln der Sänger-Wahllose, wofür dann auch schon mal ein Musikpassage doppelt ertönt. Aber der Funke will nicht recht überspringen.
In Zeiten, wo in TV-Kindersendungen Sex kein Tabu ist und bereits in Vorabendsendungen praktiziert wird, scheint eine derartige Nivellierung des Grundkonfliktes der „Tannhäuser“-Handlung unangebracht. Möglicherweise hätte die Gleichsetzung von Venus-Welt und Drogenszene für Kinder funktioniert, so aber blieb der Gegensatz von Eros und Agape ebenso im Ungewissen, wie die Frage von Tannhäusers Frevel und Buße. Als ein hohes Lied auf die wahre Freundschaft funktioniert Wagners Handlung offenbar nicht, und auch der Sängerkrieg blieb aus.
Dabei wurde in den übrig gebliebenen Ausschnitten der Strichfassung von Alexander Busche beachtlich gut gesungen, etwa von Jeffrey Dowd als Tannhäuser, Alexandra Petersamer als Venus und dem zum Zeitungsjungen mutierten Hirten Christiane Kohl. Insbesondere das 29-köpfige Orchester (Brandenburgisches Staatsorchester Frankfurt) unter der Leitung von Hartmut Keil und der 20-köpfige Chor („coruso“ – Erster Deutscher Freier Opernchor e. V.) sorgten für ein bayreuthadäquates Niveau.
Angeblich waren die Karten für die zehn Aufführungen dieses Sommers nach wenigen Minuten ausverkauft, aber die diesbezüglich zu kurz gekommenen Kinder sollen sich auf ein Public Viewing der Kinderoper freuen: Der Übertragung des „Tannhäuser“ auf die Bayreuther Volksfestwiese, am Vormittag des 21. August, soll sich ein Kinder-Parcours, mit Schminken, T-Shirt-Bemalung und Ausprobieren von Musikinstrumenten, anschließen, überleitend in das Public Viewing der „Walküre“ am Nachmittag.