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Daniel Barenboim und das Weste Eastern Divan Orchestra beim Proben. Foto: Warner Classics / Nina Large
Daniel Barenboim und das Weste Eastern Divan Orchestra beim Proben. Foto: Warner Classics / Nina Large
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Irisierende Luftklänge: das West-Eastern Divan Orchestra in Bayreuth

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Von 1981 bis 1999 war Daniel Barenboim einer der bedeutendsten Dirigenten der Bayreuther Festspiele, der insbesondere als musikalischer Leiter von Harry Kupfers „Ring“-Inszenierung, aber auch mit „Tristan und Isolde“, den „Meistersingern von Nürnberg“ und „Parsifal“ besondere Akzente gesetzt hat, bis ein Konflikt mit dem langjährigen Festspielleiter Wolfgang Wagner die vordem glückliche Kooperation beendete.

Nun kehrte Barenboim nach Bayreuth zurück, allerdings nicht auf den Grünen Hügel, sondern in die Stadthalle, – und offiziell ist der greise Wolfgang Wagner sogar Schirmherr über diese Veranstaltung, die unter der neuen Festspielleitung der Wagner-Urenkelinnen der Mäzenatenverein „Gesellschaft der Freunde von Bayreuth veranstaltet hat. Der Gesellschafter der Festspiel-GmbH folgte damit der Anregung von Eva Wagner-Pasquier, gerade an jenem Ort, der nicht erst im Dritten Reich ein unrühmliches Beispiel für die Ausgrenzung jüdischer Künstler geleistet hatte, das erstmalige Gastspiel gemeinsam konzertierender israelischer und palästinensischer Künstler in Bayreuth zu ermöglichen. Während das selbe Programm – im Rahmen einer größeren Abfolge von Auftritten des WestEastern Divan Orchestra – fünf Tage zuvor, zu vorgerückter Abendstunde, bei den Salzburger Festspielen weniger Beachtung gefunden hatte, zeitigte die seit Wochen ausverkaufte Matinee in Bayreuth Standing Ovations.

Das Eröffnungsstück, „Les Préludes“ von Wagners Schwiegervater Franz Liszt hatte im Dritten Reich unrühmlich als Fanfare für die Kriegsberichterstattung gedient. Barenboim scheut sich nicht, die Marialik der ursprünglich als Ouvertüre zu einem Männerchorwerk geplanten Symphonischen Dichtung scheppernd herauszukehren, er lässt aber aus ihr das nostalgische Nebenthema utopisch aufblühen. Hier an gemeinsames Land, an gemeinsame regionale Wurzeln zu denken, die jenseits aller bombastischen Aggressivität auch wieder Verbindungen schaffen könnten, nimmt Bezug zur Gründung des nunmehr zehn Jahre alten Klangkörpers, der es ermöglichen wollte, Menschen unterschiedlicher politischer Ausrichtung zum gemeinsamen Zuhören zu bewegen. Und wenn die Streicher ihre Instrumente nach dem Abschlag ihres Gründers und Leiters noch nachvibrieren lassen, so hat dies nicht ausschließlich klangliche Funktion in der akustisch eher kargen Bayreuther Stadthalle.

Das Vorspiel und der (sinfonische) Liebestod aus Wagners „Tristan und Isolde“ schlugen den Bogen zu Barenboims Bayreuther Aktivitäten, aber auch zu der Tatsache, dass der Dirigent mit diesem Vorspiel als Zugabe das Aufführungsverbot Wagnerscher Musik in Israel engagiert durchbrochen hat. Das West-Eastern Divan Orchestra, in dem der Konzertmeister des Berliner Staatsorchesters und ein zwölfjähriges israelisches Wunderkind neben einander musizieren, schwillt aus einem kaum hörbaren Pianopianissimo an, füllt energetisch die komponierten Spannungspausen und modelliert irisierende Luftklänge. Des „Weltatems wehenden All“ lässt der Dirigent mit ausufernder Bewegung über das gesamte Orchester bis ins Publikum hinein schwingen. Gleichwohl ist Barenboims Dirigat zumeist dezent, häufig lässt er sein Orchester ohne Taktschlag alleine spielen und setzt nur einige, sparsame Akzente.

Hector Berlioz’ dessen Instrumentation und Leitmotivtechnik, vielleicht auch die Idee der zyklischen Mythos-Realisierung, Wagner maßgeblich beeinflusst haben, war im zweiten Teil des Konzerts mit der Symphonie fantastique op. 14 vertreten. Auch wenn das Programmheft auf die Angabe „Épisode de la vie d’un artiste en cinq parties“ verzichtete, entwickelte Barenboim die fünf Stationen der Programmmusik dramatisch. Für die dunklen Farben der Partitur erwies es sich besonders vorteilhaft, dass die Streicher dieses Orchesters (nahezu) gleichgewichtig besetzt sind und dass somit die Basslinien besonders zum Tragen kommen. Die Deutungsmöglichkeit, mit dem Gang zum Richtplatz falsches nationalen Pathos zu exekutieren, lag angesichts des Ortes und der Ausführenden nicht fern.

Emphatischer Beifall des Festspielpublikums schien sich eine Wiederkehr des charismatischen Dirigenten, auch auf dem Hügel, zu wünschen. Und der Applaus war keineswegs künstlich ausgedehnt, als jedem der 103 Orchestermitglieder eine Rose überreicht wurde. Zugaben gab es jedoch keine: Madonnas Praxis – am Abend zuvor im Münchner Olympiastadion – macht Schule.

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