Bekanntlich schlürfen Verleger laut Kurt Tucholsky ihren Champagner aus den Hirnschalen ihrer Autoren. Ganz im Sinne der Vermeidung solcher Sauf-Barbarei hat kürzlich der Bundesgerichtshof (BGH) ein abschließendes Urteil nach einem fünf Jahre währenden Prozess-Marathon gefällt. Es dürfte nicht nur für Buchverlage und ihre „Verwertungsgesellschaft (VG) Wort“ von einschneidender, teils existenzgefährdender Bedeutung sein. Auf materielle Einschnitte müssen sich jetzt auch die in einer „Solidargemeinschaft“ mit Komponisten und Textdichtern in der GEMA versammelten Musikverleger einstellen. Grundsätzlich in ihrem Bestand gefährdet sehen sich wohl bald die „VG Musikedition“ und die „VG Bildkunst“.
Denn das BGH-Urteil, nachdem die VG-Wort ihre treuhänderisch verwalteten Einnahmen aus Zweitnutzungsrechten (z. B. Kopier-Abgaben, Bibliotheks-Nutzung, Datenbanken) nur noch an Autoren und nicht wie bisher anteilig an Verlage ausschütten darf, lässt sich auf andere Verwertungsgesellschaften partiell übertragen.
Zweifellos hat sich unsere Verlagslandschaft in den letzten Jahrzehnten auch durch die digitalen Vertriebswege drastisch verändert. Vor allem Wissenschafts-Verlage kassieren neben der Anlieferung des druckreif formatierten Manuskriptes vom Autor oft auch noch eine vier- bis fünfstellige „Sicherheitsleistung“, die eine risikofreie Produktion zumindest der Erstauflage garantiert. In solchen Fällen ist dem an sich honorigen Kläger Martin Vogel, selbst Wissenschaftsautor, durchaus Verständnis entgegenzubringen.
Ganz anders liegt der Fall beispielsweise für die (noch) bunte Blumenwiese engagierter, oft kleiner Kultur- und Musikverlage. Autoren, Komponisten werden von einem meist sehr kundigen Lektorat betreut. Solche Unternehmen wählen ihre Produkte auch nach Qualitätskriterien aus, gehen materiell in Vorleistung, also ins Risiko. Und viele sorgen dafür, dass neben ertragreichen Produktionen auch Werke publiziert werden, die ein rein ökonomisches Controlling nicht überlebt hätten. Solche kreative verlegerische Leistung genießt also kein Schutzrecht mehr. Aber unsere blind-gerechte Justitia hat für solche Differenzierungen natürlich keinen Blick. Und wird so für eine Versteppung unserer Kulturlandschaft sorgen, indem sie mit ihrem Urteils-Glyphosat die künstlerische Artenvielfalt schreddert, während sich die Monokultur zusammengekaufter „Global-Player“ prima ausbreiten kann.
Es sei nicht verschwiegen, dass die Verwertungsgesellschaften selbst und speziell der Börsenverein des Deutschen Buchhandels aufgrund ihres etwas einfältigen Vertrauens in die Justiz sich einen gerüttelten Anteil an dieser Misere zuschreiben müssen. Ein „Plan B“ wäre es gewesen, auf politischem Wege auch für Verlage ein angemessenes Leistungsschutz-Recht via Gesetzgebung auf die Beine zu stellen. Gut geschlafen, die Herren? Dass gewisse Autorinnen und Autoren – wie Julia Franck in der „Zeit“ unter dem Titel „Die Arbeit beginnt beim Denken“ – über den neuen Verteilungsmodus hektisch jubilieren, erfordert den Appell: „Dann gönnt Euch doch mal eine etwas weitsichtigere Nachdenklichkeit!“