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Aaron Dworkin. Foto: Sphinx
Aaron Dworkin. Foto: Sphinx
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Karrieresprungbrett, Familie, Lebensaufgabe

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Wie sich Aaron Dworkin mit seiner Stiftung „Sphinx“ für musikalische Chancengleichheit in den USA einsetzt
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Wer an klassische Musik denkt, hat höchstwahrscheinlich keinen dunkelhäutigen Teenager mit einer Afro-Frisur vor Augen. Und doch ist gerade dieser mittlerweile erwachsen gewordene Teenager dabei, die Welt der klassischen Musik zu revolutionieren. Seit 15 Jahren setzt sich Aaron Dworkin mit seiner gemeinnützigen Organisation Sphinx in den USA für mehr Chancengleichheit von Musikern mit hispanischem oder afroamerikanischem Hintergrund ein.

Mit Erfolg: Dank Sphinx ist der Anteil von schwarzen Musikern in US-amerikanischen Orches­tern von gerade einmal 1,16 Prozent im Jahr 1998 auf etwas unter 5 Prozent angewachsen. Jährliche Preisgelder und Stipendien in Höhe von 150.000 US-Dollar an Musiker mit afro-amerikanischem oder hispanischem Hintergrund, sollen für noch mehr Farbe in den klassischen Orchestern sorgen. Dazu kommen Programme an Ghetto-Schulen und ein hochklassiges Musikinstitut, das jedes Jahr rund 35.000 Jugendliche erreicht.

Vom 25. bis 30. November wird Sphinx zwei Stipendiaten an die Universität der Künste in Berlin entsenden: die ehemaligen Sphinx-Preisträger Jason Amos und Jannina Barefield. Der 26-jährige Amos und die 30-jährige spielen beide im Sphinx Orchester und sind daneben stark in der Jugendarbeit der Organisation involviert. Amos arbeitet gleichzeitig noch für weitere Organisationen, die sich für klassischen Musikunterricht in sozial schwachen Schulgebieten stark machen. Auch in Berlin werden Jannina und Jason an die Schulen gehen, vor allem an Schulen mit hohem Immigranten-Anteil. „Aber die beiden sollen natürlich auch selbst etwas lernen, sowohl musikalisch als auch kulturell“, erklärt Afa Sadykhly, Sphinx Pressesprecherin und Lebensgefährtin von Sphinx-Gründer Dworkin. 

Freuen darf man sich auf die Konzerte. Die 30-jährige Geigerin Barefield , sorgte erst vor kurzem mit Sphinx Virtuosi, dem Vorzeige-Kammerorchester der Organisation, auf der jüngsten US-Tournee für Furore. Die junge Virtuosin bekam mit zwei Jahren von ihren Musiker-Eltern die erste Pappkartongeige unters Kinn geklemmt und konnte bereits als 13-jährige mit dem Detroit  Symphony Orchester ihr erstes Solo-Debut feiern: eine Ausnahme? „Jannina war eine der ersten Sphinx-Preisträgerinnen. Sie gewann zu einer Zeit, als niemand daran glaubte, dass es überhaupt farbige Jugendliche gibt, die auf hohem Niveau ein Instrument spielen oder überhaupt klassische Musik machen können“, sagt Sphinx-Gründer Aaron Dworkin.

„HipHop, Rap, ja das schon. Ich höre immer wieder, wie unglaublich schwierig es sein muss, mit klassischer Musik an die Schulen zu gehen, in die Ghettos, zu den harten Kids. Tatsache ist, dass sie begeistert sind. Wenn unser Quartett ein Konzert gibt, ist es als ob JC aufgetreten wäre, sie applaudieren, wollen Autogramme. Die Jugendlichen kennen in der Regel keine klassische Musik, niemand hat sich je die Mühe gemacht ihnen etwas vorzuspielen, denn niemand erwartet oder glaubt, dass sie es überhaupt mögen“, erklärt Dworkin. Als dunkelhäutiges Mischlingskind, das als Baby von einer jüdisch-irisch-katholischen Familie adop­tiert und bereits mit fünf Jahren auf eine klassische Musikkarriere hin trainiert wurde, musste er selbst sein Leben lang mit Vorurteilen kämpfen.

Er war der Teenager mit Afro, der jeden Tag mehrere Stunden üben musste und so schon ganz jung in Jugendorches­tern die erste Geige spielte. Was ihn jedoch in diesen Jahren mehr beschäftigte war seine Identität, sein Anders-Sein. Und so beschreibt er in seiner kürzlich erschienen Autobiographie „Uncommon Rhythm“ die Achterbahnfahrt eines sozialen Außenseiters, der auf vielen Umwegen wieder zurück zu seinen Wurzeln und damit den Samen für das Projekt seines Lebens findet: Sphinx.

Auf 140 Seiten beschreibt er seine Jahre als unverstandener Adoptivsohn, dem seine Geige Last und Zuflucht zugleich ist. Sob sehr er seine Geige und die Musik liebte, so sehr war es ihm verhasst, täglich stundenlang üben zu müssen, was zum Konflikt mit seinen Eltern führte, die zwar meist sein Bes­tes wollten, aber manchmal auch zu viel verlangten: „Unglücklicherweise werden sich die Menschen – alleine aufgrund deiner Hautfarbe – ein bestimmtes Urteil bilden, sobald du nur den Raum betrittst. Aber wenn du der Beste bist, in dem was du machst, wirst du diese Vorurteile überwinden“, zitiert Dworkin seinen Adoptivvater. „Das blieb hängen – und ist heute sicher Teil von dem, was ich bin“, sagt er.

Aber es ist eben nicht immer einfach der Beste zu sein. Gleichzeitig musste Dworkin sich immer mehr gegen die Vorurteile wehren, die ihm entgegengebracht werden. Da war die Lehrerin, die in sein Ohr flüsterte, dass sie ihn wegen seiner Hautfarbe gerne härter bestrafen würde als die anderen. Seine sogenannten Freunde, die ihn wegen seines Afros ärgerten und letztlich zu dem Schluss kamen, dass sie nur mit ihm befreundet sein können, weil er ja aus einer weißen Familie komme und damit „nicht wirklich schwarz“ sei. 

Immer häufiger suchte der junge Dworkin nach Wegen, um mehr dazuzugehören und aus der von seinen Eltern vorgegebenen Routine auszubrechen. Er veranstaltete wilde Partys, lief von zu Hause weg und verlor im Überlebenskampf mit seiner langjährigen Lebensgefährtin Sherrie, die wegen der Hautfarbe ihres Partners von ihren Eltern verstoßen wird, schließlich sogar die Zeit, Kraft und Disziplin, weiter Musik zu machen. Als er vier Jahre später sein Studium wieder aufnahm, stellte er fest, dass seine Finger nicht mehr automatisch alle schwierigen Stellen beherrschen und er nicht genug Disziplin besaß, die notwendigen fünf Stunden zu üben, um aufzuholen. 

„Die von mir geplante Solisten-Karriere war also dahin“, schreibt Dworkin. Doch statt sich leid zu tun, transkribierte der mittlerweile 24-Jährige für sein Abschlusskonzert Popmusik-Stücke schwarzer Musiker wie Mariah Carey oder Boys II Men. Dann gründete er ein „schwarzes“ Streichquartett. „Es war wunderbar, es machte Spaß – und ich fand neue Freunde.“ Darüber hinaus fing er an nach klassischen Musikstücken von afro-amerikanischen Komponisten zu suchen. Und dann kam ihm die Idee: Warum sollte es anderen nicht genauso gehen wie ihm? Warum nicht eine motivierende Umgebung schaffen für talentierte schwarze Musiker, in der sie sich nicht isoliert fühlen und deshalb aufgeben? Warum nicht einen Wettbewerb ausschreiben ausschließlich für Musiker aus Minderheitengruppen?

Zu seiner eigenen Überraschung stieß er mit seiner Idee sowohl bei seinem Geigenprofessor als auch beim Dekan der Universität von Michigan auf offene Ohren. Und so entstand, inspiriert von den Höhen und Tiefen seiner eigenen Geschichte, Sphinx. „In erster Linie war und ist Sphinx Chance und Netzwerk für Jugendliche, wie ich es war“, erklärt der 40-Jährige, der 2005 für seinen Einsatz mit dem MacArthur Fellowship-Preis ausgezeichnet und von Präsident Barack Obama zum „White House Champion of Change“ gekürt wurde. Mittlerweile konnte Sphinx zwei Millionen US-Dollar an Stipendien-Geldern vergeben. Vielen Stipendiaten öffnet das die Tür zu einem Studium an einer der Top-Musikschulen in den Vereinigten Staaten. Neben den mittlerweile 152 Wettbewerbs-Gewinnern wurden alleine durch die Sommerprogramme weitere 100.000 Streicher erreicht, dazu kommen die Jugendlichen von über 200 Schulen. Das Programm wächst und wächst – und bekommt von allen Seiten Unterstützung: Die New York Philharmonics zählen neben 32 weiteren US-Orchestern ebenso zu den Partnern von Sphinx wie die berühmte Julliard School oder Persönlichkeiten wie Gustavo Dudamel, Vanessa Williams oder Yo-Yo Ma. 

Jedes Jahr wird von der New World Symphony für das Auftaktkonzert der US-Tour von Sphinx Virtuosi ein Werk bei einem „farbigen“ Komponisten in Auftrag gegeben. Sphinx arbeitet auf vielen Ebenen, um klassische Musik zu einem Gut für die Menschen aller Hautfarben zu machen, oder wie­ Clive Gillinson, künstlerischer Leiter der Carnegie Hall, es ausdrückt: „Sphinx spielt eine vitale Rolle auf dem Gebiet der klassischen Musik: Der permanente Einsatz für mehr Vielfalt bietet einem weiten Spektrum von jungen Menschen beispiellose Möglichkeiten.“ 

Über 100 junge, farbige Musiker bewerben sich mittlerweile jährlich um die 15 Stipendien, darunter auch junge Instrumentalisten, die bei einem der Schul- oder Sommerprogramme von Sphinx zum ersten Mal mit klassischer Musik in Berührung kamen. „Das macht uns natürlich unglaublich stolz“, erklärt Berlin-Stipendiatin Jannina Barefield. Seit sie 23 Jahre alt ist unterrichtet sie regelmäßig beim Sphinx-Sommerprogramm, einem zweiwöchigen Intensivkurs für angehende Streichmusiker. 

Wie für alle anderen 152 bisherigen Absolventen des Wettbewerb-Programms ist Sphinx für sie gleichzeitig Karrieresprungbrett, Familie und Lebensaufgabe. „Das Wichtigste für mich sind die Leute, die ich durch Sphinx kennengelernt habe, das Netzwerk von Menschen, die sich alle für dieselbe Sache begeistern: Für die Musik, und dass Musik für alle da ist“, erklärt Barefield. 

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