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Kasse machen auf Kosten der Kreativen

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Nützlich, lästig, im Weg? Über Entwicklungen im Urheberrecht ·
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Über kein anderes Thema ist in der nmz in den letzten Jahren so viel geschrieben worden wie über die Entwicklungen des Urheberrechts. Das Urheberrecht, das zum Schutz geistiger Leistungen vor deren willkürlicher Nutzung ersonnen ward, scheint stumpf, bedarf angeblich der Anpassung an die modernen Zeiten. So wird versucht, von allen erdenklichen Seiten auf bestimmte Veränderungen des Gesetzes hinzuarbeiten. Wenn man die Betei-ligten dieses Prozesses (Verleger, Verwerter, Veranstalter, Gerätehersteller, Privatnutzer, Urheber) fragt, sind sie sich im Prinzip alle einig: Die Rechte der Urheber sollen gestärkt werden. Es könnte alles so einfach sein. Wo alle sich so einig sind, stellt sich die Frage: Wo gibt es denn überhaupt ein Problem?

Das Problem ist einfach: Sie sind sich nicht wirklich einig. Alle wollen zwar für die Urheber das Beste, nur sehen sie es jeweils an anderen, oft konträren Punkten. Daneben leidet die Diskussion insgesamt an schlechten Verallgemeinerungen und an Unklarheiten seitens aller Parteien. Das Urheberrecht dient dem Schutze der Urheber. Doch Urheber ist nicht gleich Urheber, schon gar nicht im Bereich Musik. Ein kurzer Blick in die finanzielle und soziale Situation der Komponisten in Deutschland sollte das sofort klarmachen. Die Anzahl derjenigen Komponisten, die allein von der Herstellung von Kompositionen leben könnten, ist sehr klein, vielleicht sind es 1.000. Das Durchschnittsjahreseinkommen eines lebenden freischaffenden Musikers (darunter sind auch Komponisten zu fassen), sofern er über die Künstlersozialkasse versichert ist, liegt nach Versichertenangaben bei etwa 9.500 Euro. Die Ausschüttungen der musikalischen Verwertungsgesellschaft GEMA fallen dabei kaum ins Gewicht. Im Jahr 2002 konnte im Durchschnitt jedes der etwa 50.000 bloß angeschlossenen komponierenden Mitglieder 1.589 Euro aus dem Gesamtertragskuchen ziehen. Gewinnstreben oder gar Profitgier kann man der Masse der Kreativen damit eigentlich nicht unterstellen. Dennoch geht es bei den Vorschlägen zur Reform des Urheberrechts vor allem ums Geld und seine Verteilung.

Eine andere Frage ist, was heißt oder ist eigentlich „geistiges Eigentum“? Geistiges Eigentum ist etwas anderes als Sacheigentum, es ist ein „Recht auf Zeit“, so die Verfassungsgerichtsmeinung: „… sowohl die geistig-schöpferische als auch die wiederschaffende Leistung sind darauf angelegt, nach einiger Zeit frei zugänglich zu werden“ (BVerfGE 31, 275 ff., Beschluss vom 8. Juli 1971). Doch so eindeutig das formuliert ist, so unklar stellt es sich in der Praxis dar. Wie durch ein Wunder sind alte Werke durch Umarbeitung wieder wie neu (siehe die Beiträge von Barbara Lieberwirth und Phillipp Adlung, Seite 5) und rechtlich wieder geschützt. Eine Art Lebenslifting. Was das Urheberrecht erlaubt, was es verbietet oder wo es Schranken findet, ist für einen normalen, nicht juristisch Bewanderten, kaum mehr durchschaubar. Was darf man kopieren, was darf man zitieren, was darf man verwerten, wo sind Persönlichkeitsrechte zu beachten, welche Lizenz muss man gegebenenfalls erwerben, welche Schutzfristen gelten für was et cetera pp.? Diese Verwirrung sollte eigentlich nicht sein.

Das Bundesverfassungsgericht hat präzisiert: „Die allgemeine Bedeutung des Urheberrechts und die vielgestaltigen Rechtsbeziehungen, die in diesem Bereich möglich sind, erfordern klare Rechtsgrundlagen“ (ebenda). Auch nach den Novellen des Urheberrechtsgesetzes ist man davon weit entfernt. Das Urheberrecht macht immer mehr Angst, obwohl es Sicherheit stiften soll. Nach außen wirkt der Kampf ums Urheberrecht mit seinen Körben geradezu wie eine vorsätzliche Androhungsbedrohung. Einer solchen Entwicklung sollte von allen Seiten entgegengewirkt werden.

Das wird auch schon gemacht: Harald Heker, Vorstandsvorsitzender der GEMA, bemängelt im Interview mit der nmz (Seiten 3 und 4): „Vor allen Dingen wollen wir keine Aktionen machen, die Kinder und Jugendliche kriminalisieren. Ich glaube, das war ein Hauptfehler vieler Aktionen (gemeint war beispielsweise ,Copy Kills Music‘). Man muss die Kinder und die Jugendlichen dort abholen, wo sie sind und ihnen anhand des Wunders, wie Musik entsteht, deutlich machen, dass Musik etwas ganz Fabelhaftes ist und dass es sich lohnt, sich mit diesem Wunder zu beschäftigen. Dann kommt die Einsicht von allein und wir brauchen keine Strafaktionen und keine Jugendgerichtsbarkeit.“ Das Gleiche darf man auch auf Erwachsene übertragen. Das Urheberrecht müsste also wieder zu einer alltagstauglichen Selbstverständlichkeit werden, getragen von Einsicht und gegenseitigem Respekt.

Und man sollte sich vor allem überlegen, was durch das Urheberrecht nicht erreicht werden kann. Dass durch den urheberrechtlichen Schutz das materielle Wohl der meisten Urheber gesichert würde, ist nach den vorliegenden Daten nicht zu erwarten. Das neue Urheberrecht wird daran nichts ändern. Da das Urheberrecht ein abstraktes Recht ist, ist es ihm auch egal, welchen öffentlich-gesellschaftlichen Nutzen die geschützte Kunst hat: Dieter Bohlen ist so gut Urheber wie ein Instrumentallehrer, der einen Bläsersatz für seine Schüler arrangiert. Profiteure des Urheberrechts, je nach Ausgestaltung von Vergütungsansprüchen, scheinen dagegen die zu werden, die gar keine Urheber sind: die Verleger, Gerätehersteller, Tonträgerindustrie, Rundfunkanstalten, Veranstalter und eine bloß konsumorientierte Masse. Deren Interessen sind klar und offensichtlich: Urheberrechte als Rechte von Urhebern sind kostspielig und damit hinderlich, was sie alle gleichwohl nicht davon abhält, das Wohl der Urheber für ihre eigenen Interessen als Schutzschild gegen die jeweils anderen auszuspielen. Sie alle wären nichts ohne die Urheber, die man aber im wahrsten Sinne des Wortes in Kauf nehmen muss.

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