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Kein starkes Stück, aber ein Fest für junge Stimmen

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„Kronprinz Friedrich“ von Siegfried Matthus zur Eröffnung des Schlosstheaters der Kammeroper Schloss Rheinsberg
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Mit der Rekonstruktion des Theaterbaus wird das Schloss-Ensemble wieder vervollständigt, das zu Zeiten des Alten Fritz – in Rheinsberg noch junger Kronprinz – zum Hort der Musen erklärt worden war. Friedrich schenkte es nach Übernahme der Königsbürde seinem Bruder Prinz Heinrich, der sich dort ein Theater errichten ließ. Nach Heinrichs Tod im Jahre 1802 hatte man für so etwas Unnützes keinerlei Verwendung mehr; das leer stehende, schon stark verfallene Gebäude wurde Ende des zweiten Weltkriegs durch Granateneinschlag bis auf die Grundmauern zerstört. Die allerdings entwickelten, von der Kammeroper etwa ab 1994 als „Theaterruine“ genutzt, ihren eigenen verrotteten Charme: Das alte Gemäuer bot mit abenteuerlichen Sicherungskonstruktionen und einigen leeren Fensterbogen, unter Einbeziehung von Schlossgraben und -garten vielseitige und witzige Bühnenlösungen für Produktionen wie „Angélique“ von Jacques Ibert oder Othmar Schoecks „Vom Fischer un syner Fru“. Sicher ist der Neubau, dessen Kosten von 23 Millionen Mark weitgehend aus EU-Mitteln aufgebracht wurden, keine schlechte Lösung: die Fassade, auch in der Fachwerk-ähnlichen Struktur des gänzlich abgerissenen Kulissenhauses, original nachgebaut, im 293 Plätze fassenden Zuschauerraum mit seinen unverputzten Wänden und auf Sperrholz-Stufen ansteigendem Gestühl dagegen kühle moderne Werkstatt-Atmosphäre. 

Jetzt hat er endlich sein Schlosstheater. Mit der Eröffnung der neuen Spielstätte in Rheinsberg hat sich Siegfried Matthus einen lang gehegten Traum erfüllt. Viele Hürden waren bis dahin zu überwinden; neben dem Kampf ums liebe Geld vor allem Kompetenzstreitigkeiten mit der Musikakademie Rheinsberg, die der Prinzipal der die Region belebenden sommerlichen „Kammeroper Schloss Rheinsberg“ zunächst mit Rücktrittsdrohungen zu entscheiden versuchte, bis sie zu guter Letzt doch noch mit einem Vertrag zur gleichberechtigten Nutzung beigelegt werden konnten. Mit der Rekonstruktion des Theaterbaus wird das Schloss-Ensemble wieder vervollständigt, das zu Zeiten des Alten Fritz – in Rheinsberg noch junger Kronprinz – zum Hort der Musen erklärt worden war. Friedrich schenkte es nach Übernahme der Königsbürde seinem Bruder Prinz Heinrich, der sich dort ein Theater errichten ließ. Nach Heinrichs Tod im Jahre 1802 hatte man für so etwas Unnützes keinerlei Verwendung mehr; das leer stehende, schon stark verfallene Gebäude wurde Ende des zweiten Weltkriegs durch Granateneinschlag bis auf die Grundmauern zerstört. Die allerdings entwickelten, von der Kammeroper etwa ab 1994 als „Theaterruine“ genutzt, ihren eigenen verrotteten Charme: Das alte Gemäuer bot mit abenteuerlichen Sicherungskonstruktionen und einigen leeren Fensterbogen, unter Einbeziehung von Schlossgraben und -garten vielseitige und witzige Bühnenlösungen für Produktionen wie „Angélique“ von Jacques Ibert oder Othmar Schoecks „Vom Fischer un syner Fru“. Sicher ist der Neubau, dessen Kosten von 23 Millionen Mark weitgehend aus EU-Mitteln aufgebracht wurden, keine schlechte Lösung: die Fassade, auch in der Fachwerk-ähnlichen Struktur des gänzlich abgerissenen Kulissenhauses, original nachgebaut, im 293 Plätze fassenden Zuschauerraum mit seinen unverputzten Wänden und auf Sperrholz-Stufen ansteigendem Gestühl dagegen kühle moderne Werkstatt-Atmosphäre. Doch vom Reiz des Improvisierten – auch mancher Pressekonferenzen und Premierenfeiern – ist kaum mehr etwas zu ahnen; das richtige Flair, der alte genius loci muss erst wieder erspielt werden. Wieweit das Eröffnungswerk, die Oper „Kronprinz Friedrich“ von Siegfried Matthus, dazu beitragen kann, blieb nach der prominent besuchten Uraufführung zweifelhaft. Natürlich enthält das dieser Bühne „auf den Leib geschriebene“ Werk einiges, was das erklärte Konzept eines experimentellen, an etablierten Bühnen so nicht zu findenden Musiktheaters erfüllt: die kurze Dauer und kleine Besetzung, die ungewöhnliche dramaturgische Anlage und vor allem ein ausgefallenes Instrumentarium. Sein Sujet ist nicht Friedrichs unbeschwerte, von Musik und Philosophie erfüllte Rheinsberger Zeit. Denn glückliche Zeiten, meint Matthus, geben dramatisch nichts her. Also wieder eine Story von Liebe und Tod. Librettist Thomas Höft hat die wohl spektakulärste Episode des preußischen Königshauses szenisch aufbereitet: den schwelenden Konflikt mit dem überstrengen Vater, die wohl nicht nur platonische Zuneigung zum Leutnant Hans Hermann von Katte, Friedrichs verzweifelten Fluchtversuch, seine Gefangensetzung zu Küstrin und die Hinrichtung des geliebten Freundes. Regisseur Götz Friedrich nennt das „Die Leiden des jungen F.“, eine Pubertätsgeschichte, welcher, ihrer historisch-politischen Dimension entkleidet, damit allgemein-menschliche Aktualität zugesprochen wird. Muss sich also ein künftiger Bankdirektor ebenso die entsprechende Härte antrainieren lassen, wie einer, der „ein großer König werden“ und die dazu gehörigen Kriege führen will? György Konrad, der in seiner Eröffnungsrede die Unvereinbarkeit von „Schwert und Feder“ auch im kriegslüsternen 20. Jahrhundert ansprach und das „zum Morden autorisierende Pathos“ durch den künstlerischen Kampf um Emanzipation, durch „geistige Artikulation“ gebannt wissen wollte, steht gegenüber solch kruder Realitätssicht mal wieder als unbelehrbarer Gutmensch da.

Das Konfliktpotenzial des Themas wird auf der Bühne jedenfalls nicht ausgereizt. Mit kommentierendem Chor und immer wieder aus ihren Rollen heraustretenden Darstellern schafft Höft eine epische Collage von Realität und Traumbildern. Das macht sich weder die Bühne – die übliche ärgerliche Mischung von kärglich-funktionaler Ausstattung (Reinhart Zimmermann) und historisierenden Kostümen (Ute Noack) – noch die Regie wirklich zunutze. Sie beschränkt sich auf hübsche Arrangements, in denen die Schäferstündchen der Liebenden, das raue Soldatenleben, die Auspeitschung der Unterschlupf gewährenden Kantorentochter Dorothea wie im Bilderbogen abrollen. Weder Anteilnahme noch Einsicht stellt sich so ein. Über allem thront auf hohem Gerüst, wie ein Kapitän auf hoher See, der Übervater, der Soldatenkönig. Wie die Regie innere Kämpfe, Widersprüche und Ambivalenzen nicht deutlich machen kann, geht auch die Musik mit gröberem Raster vor. Endlose Trommelkaskaden charakterisieren das Prügelregiment bei Hofe. „Was Gott tut, das ist wohlgetan“, besingt der Chor dazu die Mesalliance von Adel und Klerus. Dem finsteren, entgegen der Konzeption kaum menschliche Anwandlungen zeigenden König sind knarrende Posaunenstöße, hartes Schlagwerk und altväterlich schnarrende Cembalo-Girlanden zugeordnet. Dem steht die weiche Gefühlswelt des Sohnes gegenüber. Die Flöte ist angesichts von Friedrichs Vorliebe für sie so unausweichlich, dass sie fast schon wieder klischeehaft wirkt. Doch ein bemerkenswerter Kunstgriff erlaubt Matthus, die Empfindungen seines Titelhelden relativ differenziert darzustellen.

Arbeitete er in früheren Opern mit „Gedankenstimmen“ , so gibt es nun gleich 14 davon. Das sind die „14 Berliner Flötisten“,ein aus den Berliner Sinfonieorchestern zusammengestelltes Ensemble, der eigentliche Reiz dieser Partitur: Sie irren in hektischen Kreiselbewegungen umher, stoßen schrille Angstschreie aus, schaffen dunkel leuchtende oder schattenhaft fahle Spannungsfelder, malen in bukolischer Lieblichkeit die Idylle von Jugend und erster Liebe. Sie mischen sich effektvoll mit den Stimmen der jungen Mezzosopranistinnen, die in „Hosenrollen“ das Liebespaar darstellen: jugendlich naiv Karen Leonie Leiber Kronprinz, mit reiferer Ausstrahlung Alicja de Rota als Katte. Mit dem funkelnd hohen Sopran von Julia Rempe (Dorothea) bilden sie in der zentralen Szene des heimlichen Rendez-vous ein attraktives Stimm-Ensemble von fast Straussischer Opulenz. Fast alle jungen Sänger erbringen unter Rolf Reuters erfahrener Leitung bemerkenswerte Leistungen. So ist „Kronprinz Friedrich“ ein gediegenes Werk von wenig Tiefgang und einigen schönen Effekten, ein „Sprungbrett für junge Stimmen“, als welches die Kammeroper Schloss Rheinsberg sich insgesamt definiert, allemal.

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