Monheim am Rhein, 46.000 Einwohner, wirbt international um Investoren mit hervorragender Verkehrsanbindung (Flughäfen Düsseldorf, Köln/Bonn, drei Autobahnen) sowie im Umkreis von fünfzig Kilometern knapp neun Millionen Menschen und rund 400.000 Unternehmen. Während sich andere Städte immer stärker verschulden, sprudeln in „Moneyhome“ die Einnahmen. Im Haushaltsjahr 2022 beliefen sich die Erträge auf 370 Millionen Euro. Die Kommune ist seit 2014 schuldenfrei und investiert rege in kostenlose Kitas und Ganztagsschulen, Spielplätze, Sportanlagen, Glasfaserausbau, ÖPNV, Brunnen, Begrünung, Fahrradwege, Windkraft, Denkmalpflege, Naturschutz, Tourismus, Karneval, Bibliothek, Volkshochschule, Musikschule, Kunstschule, Jugendclub, Vereine et cetera. Hinzu kommt Kunst im öffentlichen Raum von internationalen Größen wie Markus Lüpertz, Timm Ulrichs, Tony Cragg oder Robert Wilson. Andernorts können Städte der Fülle an Aufgaben immer weniger nachkommen. Doch im Eldorado am Rhein ist die belebende Wirkung des Geldes überall sichtbar – nicht zuletzt in der „Monheim Triennale“.
Starke weiche Standortfaktoren
Deren Voraussetzung ist – wie im Grunde überall – ein Dreiklang aus finanziellen Ressourcen, politischem Wille und künstlerischer Gestaltungskraft. Den wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung der Stadt hat maßgeblich Daniel Zimmermann angestoßen. 1982 geboren und im Ortsteil Baumberg aufgewachsen, gründete er bereits als Schüler die lokale Jugendpartei PETO und wurde 2009 direkt nach seinem Lehramtsstudium Bürgermeister von Monheim. Bei der Wahl zur zweiten Amtszeit 2014 erhielt er sagenhafte 95 Prozent aller abgegebenen Stimmen, für die dritte immerhin noch 68. Mittlerweile wirbt das Stadtmarketing nicht nur mit fiskalischen und gewerblichen Vorzügen, sondern ebenso mit hoher Lebensqualität, rheinischer Lebensfreude, idyllischer Lage, uriger Altstadt, vielen Naherholungs- und Freizeitmöglichkeiten sowie einem reichen Angebot an Kunst und Kultur. Denn in Zeiten von Fachkräftemangel sind das nicht bloß „weiche“ Standortfaktoren, sondern harte Sollgrößen für Kommunen und Unternehmen.
Entsprechend will die „Smart City Monheim 4.0“ seit ein paar Jahren auch mit einem Musikfestival national und international ausstrahlen. Bürgermeister Zimmermann berief dazu den langjährigen künstlerischen Leiter des Kölner Stadtgartens und des Moers-Festivals Reiner Michalke zum Intendanten. Dieser kreierte mit der neuen „Monheim Triennale“ kein weiteres Jazzfestival, wie es sie im näheren Umkreis zu Haufe gibt, in Moers, Leverkusen, Bonn, Hilden und seit 2021 mit der „Cologne Jazzweek“ auch in Köln. Stattdessen zielt Michalke in Monheim auf ein „Festival des 21. Jahrhunderts für aktuelle Strömungen verschiedener Disziplinen und Richtungen“. Zum Maßstab nahm er sich bedeutende Musikfestivals in Deutschland, die ebenfalls in kleineren Orten wie Bayreuth, Donaueschingen oder Moers entstanden, weil sich dort die nötige Konzentration an Aufmerksamkeit und Mitteln leichter als in Großstädten erreichen lässt. In diese Liga will die Triennale der städtischen Monheimer Musikfestival GmbH aufsteigen, bisher ganz aus eigener Kraft ohne Förderung durch Bund, Land, Stiftungen oder Rundfunk.
Dreiteiliges Festival des 21. Jahrhunderts
Die erste Triennale 2022 stand unter dem Thema „Klang im öffentlichen Raum“. Vorbereitet wurde das hochkarätig besetzte Festival bereits zwei Jahre zuvor mit sogenannten „Prequels“. Die Entlehnung aus dem Englischen – eine Kombination aus dem Präfix „pre“ (vor) und „sequel“ (Folge) – bedeutet die Fortsetzung einer bereits bekannten Handlung in Film oder Literatur als Vorgeschichte. Nach dem Vorbild der von Kasper König 2014 in Petersburg veranstalteten „Manifesta“ holte Michalke in den ersten zwei Jahren Musik-, Kunst-, Theater- und Literaturschaffende für mehrwöchige Residenzen, Workshops und Gastauftritte nach Monheim, wo sie ortsspezifische Klang- und Performancekunst entwickelten und im dritten Jahr geballt bei „The Festival“ präsentierten. Bis heute steht dem Leiter dabei ein Team aus Musikkuratorinnen und Journalisten aus Berlin, Köln, New York und Vancouver beratend zur Seite. Für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gewann man den Musiker und Pädagoge Achim Tang. Zusammen mit Gästen wie der US-amerikanischen Performerin Julia Úlehla, der georgischen Klangkünstlerin Anushka Chkheidze oder dem Trompeter Peter Evans trägt er Inhalte des Festivals auf alle möglichen Arten in die Stadtgesellschaft.
Aktuelles „Prequel“ als kleines Sommerfestival
Im Vorfeld der für 2025 angesetzten zweiten Triennale fand letztes Jahr das Klangkunstfestival „The Sound“ statt. Bei einem weiteren „Prequel“ im Juni 2024 recherchierte Mika Kaurismäki während einer Künstlerresidenz für ein ortsspezifisches Filmprojekt. Der finnische Filmemacher sprach in der Villa am Greisbachsee vor reichlich Publikum mit dem Musikjournalisten Günther Huesmann über seine musikbezogenen Dokumentarfilme, deren aktuellster sich nun in Monheim abspielen wird. Aktuell gibt es vom 4. bis 6. Juli weitere „Signature Projekte“ der insgesamt 16 eingeladenen „Signature Artists“, darunter die australische Posaunistin Shannon Barnett, die iranische Klangkünstlerin Rojin Sharafi, der Multi-Instrumentalist Oren Ambarchi und der Multimedia-Künstler Ludwig Wandinger. Mit dabei ist auch der Theatermacher und Komponist Heiner Goebbels, der für „The Festival“ 2025 eine Open-Air-Inszenierung erarbeitet. Fürwahr das Line-up einer Kulturmetropole!
Die zweite Triennale wird 2025 teilweise schon in der „Kulturraffinerie K714“ stattfinden. Dafür wird eine historische Industrieanlage des Mineralölkonzerns Shell zum multifunktionalen Kultur-, Konzert- und Kongresszentrum ausgebaut: mit zusätzlichen Glaskuben, hochfahrbarem Orchestergraben, modernster Bühnentechnik, weitläufigen Foyers, Gastronomie und Dachterrasse mit Rheinblick sowie einem Parkhaus mit 2000 Stellplätzen und neuer Verkehrsanbindung. Neben einem kleineren Raum wird ein großer Saal – je nach Bestuhlungsvariante – Platz für bis zu 4700 Menschen bieten. Bisher kommt das Projekt gut voran und bleibt im Zeit- und Kostenplan von 126,5 Millionen Euro. Im Juni 2023 wurde der Grundstein gelegt, im Mai 2024 feierte man Richtfest und 2025 sollen erste Veranstaltungen stattfinden. Das klingt wie im Märchen! Sollte nicht alles wie beim schnellen Aufstieg und Fall der Traumstadt Mahagonny plötzlich wieder verpuffen, dann strahlt die kleine Boomtown am Rhein mit ihrer Triennale womöglich dereinst wirklich so international wie die weltbekannten Festivals anderer deutscher Kleinstädte.
Orchesterresidenz der besonderen Art
Erst jüngst gab die Stadt bekannt, dass sie ab Ende Juli drei Jahre lang das Symphonieorchester Kiew beherbergen wird, das seit dem russischen Überfall im Februar 2022 auf Auslandstournee ist. Die Wohnungen für die 130 Ukrainerinnen und Ukrainer – 73 Musikerinnen und Musiker zuzüglich Begleitpersonal und Familienangehörige – werden von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft gestellt. Monheim leistet damit humanitäre Hilfe und gibt dem Orchester zugleich die Möglichkeit, durch weiteres internationales Konzertieren auf die Lage in seinem Heimatland aufmerksam zu machen und gegen die drohende Auslöschung ukrainischer Kultur durch russische Kriegshandlungen zu protestieren. Wie Monheim Triennale und das Konzerthaus ist auch diese Orchester-Residenz nur möglich durch reichlich verfügbare kommunale Mittel in Kombination mit kurzen Dienstwegen, politischer Entscheidungsfreudigkeit und einem klaren Bekenntnis zu Kunst und Kultur. Und je internationaler das Orchester dann in Zukunft von Monheim aus gastiert, desto internationaler bekannt macht es neben seiner alten Residenz am Dnepr dann auch seine neue am Rhein.