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Klaus Wenk, Claudia Reinhard und Markus Zapp vom ausgezeichneten Vokalensemble Singer Pur. Foto: Peter Hemza
Klaus Wenk, Claudia Reinhard und Markus Zapp vom ausgezeichneten Vokalensemble Singer Pur. Foto: Peter Hemza
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Klingendes und singendes Land: Der Bayerische Staatspreis für Musik wurde erstmals verliehen

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Schon mal was von angeblich gehört? Davon, dass München angeblich eine Musikstadt sei? In einer großen süddeutschen Zeitung war das dieser Tage im Zusammenwirken mit der Berichterstattung über den Stockhausen-Muffathalle-Herkulessaal-Sankt-Michaels-Kirche-Event zu lesen, als gesamtdeutscher Erstaufführung von SAMSTAG aus LICHT.

Dass sich – auch auf Städte bezogene – Urteile nie objektivieren lassen, ist ja altbekannt. Münchens Vielfalt zeigte sich an einem der ersten, der sehr wenigen echten Sommerabende in der laufenden Saison noch facettenreicher als sonst. Südlich animiert flanierten die Menschen zwischen Residenztheater und Odeonsplatz-Open-Air-Aufbau, zwischen Viehhof-Open-Air-Kino und Tollwood, zwischen Opernfestspielen mit George Benjamin-Erstaufführung und Schlosskonzerten in Schleißheim, erwartungshaltig ihrer jeweiligen Musik entgegen. Erstaunlich viele suchten das Cuvilliés-Theater auf, jenes einzigartige Rokoko-Juwel als Spielort für aktuelle Opernuraufführungen ebenso wie als langjähriger Platz für die Übergabe des Ernst von Siemens Musikpreises. Ein Raum für Avantgarde also von Mozart bis Stockhausen, Kagel, Reimann etwa.

Und den weltweit agierend-auszuzeichnenden Nachwuchs. Der Preise gibt es viele in München. Private, städtische, staatliche. Vom Bayerischen Filmpreis bis zum Bayerischen Fernsehpreis. Einen staatlichen Musikpreis gibt es seit dem 2. Juli 2013. Das in der aktuellen bayerisch-schwarz-gelben Koalition ziemlich engagiert vom Kunst-und-Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) angeführte Haus hat (gewisslich frei von Gedanken an den Landtagswahltermin im September…) in solchem Umfeld die Lücke ausgemacht. Und so wurde gestern erstmals dieser zwischen Professionalität und ambitionierter Laienmusik und einem Sonderpreis changierende Akt vollzogen.

Bayerischer Musikrat, Kunst- und Wissenschaftsministerium samt vieler Sponsoren ermöglichen – von einer facettenreich besetzten Jury, unter Alexander Liebreichs Leitung, beraten – den Bayerischen Staatspreis für Musik. Eine wahrhaft gute Idee an einzigartiger Stelle. Von der Residenztheatertechnik perfekt gestützt, ließ die Drehbühne zügiges agieren zu – ohne die bei Musikveranstaltungen sonst üblich-lästige Umbauerei. Fulminant ging es los mit dem hinreißenden Harald Rüschenbaum und seinem faszinierend-virtuos und packend-sinnlich aufspielenden Landes-Jugendjazzorchester Bayern. Heubisch hielt eine launige Festrede mit der Schilderung des Vorlaufs bis zu diesem Abend, Thomas Goppel (Präsident des Bayerischen Musikrats) war witziger Laudator auf Harald Rüschenbaum. Siegfried E. Loch, Chef des exponierten Münchner Jazz-Labels ACT, analysierte die musikalische Professionalität, die instrumentale ebenso wie die improvisierende, des packenden, sehr jungen Michael Wollny. Der konnte nicht anwesend sein, hatte er doch vor langem schon seine Teilnahme am Bozener Jazzfest vertraglich geregelt.

Andreas Donauer alias „Donikkl“ brachte ungemeine Lockerheit ins Theater. Denn wer den Realschullehrer für Englisch und Religion auf der Bühne erlebt, den hält es auch als Erwachsener (wie eh alle Kinder) auf keinem Stuhl. Bernd Schweinar arbeitete das in seiner Laudatio fein heraus. Bodypercussion und Körperwahrnehmung führte Donauer mit seinem zauberhaften Rotschopf samt seiner Band fulminant vor.

In der Kategorie Professionelles Musizieren wurde das exzellente Vokalsextett Singer pur ausgezeichnet, das von der Renaissance bis zu Sting-Adaptionen wahrhaft durchdringend überzeugt. Der Juryvorsitzende Alexander Liebreich analysierte – nicht nur als gebürtiger Regensburger – präzise die Qualitäten der mehrheitlich ehemaligen Regensburger Domspatzen, die sich mit ihrer Version des Sting-Titels „Fields Of Gold“ revanchierten.

Dass die Trägerin des Sonderpreises an diesem Sommerabend nicht anwesend sein konnte, bedauerte nicht nur der Laudator Heubisch. Doch da die Meisterin zusammen mit Patrice Chereau in Südfrankreich an Richard Strauss arbeitet, wurde die zauberhafte Porzellanfigur – wie sie alle anderen auch erhielten – hier in die zuverlässigen Hände von Alexander Liebreich gelegt, der glaubhaft versicherte, dafür gerade zu stehen, dass Urkunde und Figur bei Waltraud Meier landen werden. „Gerade im Wagner Jahr 2013 ist es mir eine besondere Freude, der leidenschaftlichen Wagnerinterpretin den Bayerischen Musikpreis verleihen zu können. Als Künstlerin von internationalem Format strahlt sie weit über Bayerns Grenzen hinaus“ ist nicht nur Wolfgang Heubisch überzeugt. Mit „Träume“ – einer Vorstudie zu Tristan und Isolde von Richard Wagner – klang dieser besinnliche und sinnliche und sinnvolle Abend aus, mit dem sehr jungen, der südamerikanischen Musikrevolution entstammenden, Hernando Escobar, Oboe, begleitet vom Münchener Kammerorchester.

Schön war, dass er sich wohltuend von der sonst üblichen Grellheit der Großevents unterschied und gerade deswegen Hochleistung hören ließ, ohne aufgeregt-wichtigtuerisches Marktgeschrei. Oder wie Heubisch das andeutet: Bayern ist ein klingendes und singendes Land, das den in der Bayerischen Verfassung festgelegten Kulturstaat als gelebte Wirklichkeit repräsentiert. Oder – frei nach Aristoteles: Im Wesen der Musik liegt es, Freude zu machen.
 

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