„Mama, wir haben gewonnen!“ ruft der kleine Sohn am Ende von Roberto Benignis hinreißendem Film „Das Leben ist schön“ der Mutter zu. Die abziehenden Deutschen Faschisten hatten eben im Lager seinen Vater erschossen, doch jetzt sitzt er triumphierend auf dem versprochenen Panzer der US-Truppen. Sein Satz kann eventuell und hoffentlich auch nach Vollendung des Nürnberger Stadtratbeschlusses vom Dezember 2021 gelten.
Das seit 1905 immer nur notdürftig teilsanierte und teilrenovierte Nürnberger Opernhaus ist so marode, dass die Brandschutzanforderungen demnächst nicht mehr erfüllt werden - die Schließung droht. Seit langem zog sich die Diskussion um ein Ausweichquartier für das seit 2005 zum vierten bayerischen Staatstheater avancierte Institut mit seinen rund 650 Mitarbeitern hin. Vor wenigen Tagen hat der Stadtrat nun mit parteiübergreifender Mehrheit beschlossen: die seit 1945 unvollendet vor sich dämmernde Kongresshalle der Nationalsozialisten am Rand des einstigen Parteitagsgeländes soll für rund zehn Jahre als Ausweichquartier ertüchtigt werden. Natürlich ist das Stoff für Diskussionen.
Winfried Nerdinger, einer der profunden Architektur-Historiker speziell auch von NS-Bauten, hat angesichts vieler zurückliegender Probleme mit „belasteten Steinen“ immer wieder dafür plädiert, „die Steine zum Sprechen“ zu bringen. Aus der derzeitigen Ruine der Kongresshalle tönt derzeit höchstens: „monströs“, „gigantomanisch“ und „inhuman“; der offene Rundbau umfasst über 78.000 qm und sollte 50.000 Besuchern Platz bieten. Dazu kam es nicht. Die Nachkriegsnutzung eines Teils der Räume als Tonstudio und Lager blieb sporadisch.
Seit 2001 ragt das historisch-kritische Dokumentationszentrum wie ein Stachel der Erinnerung aus einem Seitenflügel heraus. Die Photovoltaikanlage auf dem Dach des gesamten Halbrunds liefert das ganze Jahr Ökostrom. Eine künftige Erhaltungssanierung würde – wie auch am benachbarten Reichsparteitagsgelände – Millionen kosten, ohne über die drei genannten Aspekte hinauszuführen und künftige rechtslastige „Spaziergänge“ auszuschließen.
Doch für den Einzug einer gewichtigen Kulturinstitution gibt ein positives Vorbild. Während das „Haus der Kunst“ in München noch keinen überzeugenden Umgang mit seiner Entstehungsgeschichte gefunden hat, bildet der sogenannte „Führerbau“ an der Arcisstraße seit Jahren ein Modell der „Um- und Neu-Nutzung“: auch wenn speziell die herrisch kalte Treppenhausarchitektur immer wieder als Kulisse für NS-Filmsequenzen herhält, durchziehen seit 1957 allerlei Klänge das Gebäude – die Hochschule für Musik und Theater hat hier ihren Stammsitz, sprich: der Ort des Ungeistes wurde von den Künsten, von experimentierfreudiger Innovation und grenzenloser Phantasie besetzt, weltoffen grenzenlose Musik durchtönt die Räume. Das ist der einzig richtige „Sieg“.
Für Nürnberg ist in Aussicht genommen: Neben 3.000 qm Spielfläche werden circa 17.000 qm für Verwaltung und Werkstätten benötigt; weitere Räume könnten als Fundus und Kulissenlager direkt benachbart genutzt werden. Ob für all das ein neuer Vorbau oder der Innenhof des Kongress-Halbrunds genutzt werden, müssen nun Ausschreibung und Wettbewerbsentwürfe zur Diskussion stellen. Ab 2025 soll dann der Spielbetrieb aufgenommen werden. Staatsintendant Jens Danile Herzog freut sich schon jetzt auf die künstlerische Herausforderung durch den Ort: Was für eine Genugtuung, wenn dort die Werke einst verfemter, verbotener und ermordeter Künstler erklingen werden – und damit unausgesprochen, aber inhaltlich gerechtfertigt der eingangs zitierte Ruf des Überlebens „Wir haben gewonnen!“