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„Amadigi“ in Göttingen. Foto: Alciro Theodoro da Silva
„Amadigi“ in Göttingen. Foto: Alciro Theodoro da Silva
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Kontrollierte Emotionen. Sigrid T’Hooft inszeniert „Amadigi di Gaula“ bei den Göttinger Händel-Festspielen

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Obwohl die Händel-Festspiele Göttingen eines der ältesten Festivals Alter Musik überhaupt sind - hier wurden ab 1920 die ersten Händel-Opern wiederaufgeführt -, gibt es noch „Händel-Repertoire-Lücken“ zu schließen. Dazu zählt die am 25. Mai 1715 uraufgeführte Oper „Amadigi di Gaula”. In diesem Jahr wurde sie erstmals in Göttingen gespielt, in historischer Aufführungspraxis. Beim Orchester tut man dies schon lange in Göttingen, in der Regie in den vergangenen Jahren nur hin und wieder. Mit Sigrid T’Hooft als Regisseurin stellte sich eine der ausgewiesenen Expertinnen für barocken Tanz und barocke Gestik vor. Auch Dirigent Andrew Parrott gab in Göttingen sein Debüt.

Händels „Amadigi di Gaula” Stück basiert auf einem der berühmtesten Ritter-Romane des 16. Jahrhunderts: „Amadis von Gallien“, eine Geschichte, die damals in vielen verschiedenen Varianten erzählt wurde und die in Teilen mit anderen Sagen und Ritter-Erzählungen vermischt wurde (Artus, Tristan, Lancelot, Don Quichote). Amadis, der uneheliche Sohn des Königs von Perion von Gallien und einer britischen Prinzessin, wird als Säugling ausgesetzt und gelangt nach Schottland. Er und seine Geliebte Oriana müssen zahlreiche Prüfungen bestehen, bis sie sich ihrer Liebe als würdig erweisen. Bei Händels Oper sind die Gegenspieler des hehren Paares die böse Zauberin Melissa, die in Amadigi verliebt ist, und Dardano, der Freund Amadigis, der aber auch Oriana liebt. „Amadigi“ ist eigentlich ein Vier-Personen-Stück, nur ganz am Schluss treten in sehr kurzen Szenen der Geist des toten Dardano und ein Onkel Orianas als das Ende der Prüfungen verkündender „deux ex machina“ auf. Zum Schlusschor, der in Göttingen von den Solisten dargestellt wird, gesellen sich noch zwei männliche Sänger.

Ritterliche, edle Liebe und mystische Zauberkräfte – Händel setzte 1715 bei „Amadigi di Gaula” auf ein bewährtes Rezept. „Amadigi” ist Händels fünfte Oper für London, bereits 1711 in „Rinaldo”, seiner ersten, sensationell erfolgreichen Produktion auf der britischen Insel, und 1713 in „Teseo” finden wir den Kontrast von hehrer Liebe und geheimnisvoller Magie.

Gefühle durften in der barocken Oper nur kontrolliert gezeigt werden, nach strengen Regeln, sowohl für die Musik als auch für die Regie. Wobei Regie nicht das richtige Wort ist, denn Opern-Regisseure im heutigen Sinne gab es damals nicht. Die Sänger hatten ihre Arien je nach der darzustellenden Emotion mit ganz bestimmen Gesten und Körperhaltungen zu begleiten. Das hat Sigrid T’Hooft bei ihrer Inszenierung in Göttingen mit den vier Sängern der Haupt-Partien in Händels „Amadigi” fantastisch einstudiert. Es sind minimale Handbewegungen, die zum Beispiel Abweisung oder Zuneigung andeuten. Die einzige, die ein bisschen mehr außer sich geraten darf, ist die Zauberin Melissa. Ihre magischen Kräfte nützen ihr allerdings nichts, sie kann Amadigi nicht gewinnen und geht in den Tod.

Die Personen stehen symbolhaft für bestimmte Haltungen. Die Wirkung entsteht durch Kontrast der Gefühle, Kontrast in den Kostümen, im Bühnenbild. Sigrid T’Hooft und ihr Bühnen- und Kostümbildner Stephan Dietrich gestatten sich – wir befinden uns immerhin im Jahr 2012 – auch Freiheiten vom barocken Regelwerk.

Die Kulissen-Bühne des (barocken) Deutschen Theaters in Göttingen zeigt über alle drei Akte ein magisches Blau, die Farbe der Zauberin Melissa. Der Held Amadigi trägt einen mächtigen roten Federbusch als Kopfschmuck, sein rotkariertes Kostüm zeigt, dass er aus Schottland kommt. Seine Geliebte Oriana tritt ganz in gelb auf, schimmernd-schillernd, rot-blau, mit zackig-zickigem Kopfschmuck, die Zauberin Melissa, und ganz ähnlich ausgestattet ihre Furien und Höllengeister. Im ganzen Stück tanzen sie wie ein Schwarm immer um die Zauberin herum, kommentieren mit Bewegungen, mit barocken Gesten die virtuosen Arien – eine der Freiheiten, von denen man nicht weiß, ob dies so zu Händels Zeiten geschah. Beeindruckend ist die schwebende Leichtigkeit und Eleganz der Tänzer des Ensembles „Corpo Barocco“. Wirkungsvoll und amüsant die tänzerisch und mit Juchzern dargestellte Begleitung einer möglicherweise von schottischer Volksmusik inspirierten Arie des Prinzen Dardano („Tu mia speranza“).

Musikalisch stellte das FestspielOrchester Göttingen unter Andrew Parrott mit Präzision und Sensibilität stilkundig seine Qualität unter Beweis. Die vier Gesangssolisten hatten ein sehr gutes Niveau. Allerdings wäre bei dieser im Vergleich zum heutigen Regietheater doch sehr ruhigen Inszenierung zuweilen mehr Intensität bei den Sängern nötig gewesen. Dies erreichte zum Beispiel in manchen Passagen die kanadische Sopranistin Stefanie True als Oriana. Herausragend, am ausdrucksstärksten und überzeugendsten war die französische Sopranistin Judith Gauthier als Zauberin Melissa.

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