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Es war einmal: Münchens "Odeon", jetzt Hof des Innenministeriums Foto: byl
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Konzertiert: Ein neuer Musentempel für München scheint näher zu rücken

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Eigentlich ist Mariss Jansons ein zurückhaltender, wohltuend bescheidener Mann. Doch wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, kann der international renommierte Chefdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks (BR) richtig lästig werden. Zurzeit wirbt der gebürtige Lette, wo er nur kann, für einen neuen Konzertsaal in München.

Das Projekt, in der Musikstadt München neben den drei vorhandenen Sälen noch einen weiteren als Heimat für sein Symphonieorchester zu schaffen, schien bislang utopisch. Doch seit Bayerns neuer Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) das Projekt befürwortet, ist die Sache nicht mehr chancenlos. Seehofer habe zweimal ein deutliches Bekenntnis für den Saal abgelegt. Einmal bei einem Auftritt in der Evangelischen Akademie in Tutzing, ein zweites Mal bei einem persönlichen Gespräch mit Jansons, sagt der frühere bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU). Faltlhauser ist Vorsitzender eines Vereins, der sich für einen Umbau des alten Marstall-Gebäudes hinter der Münchner Residenz zu einem Konzertsaal stark macht.

Einen Entwurf gibt es auch schon. Der Berliner Architekt Axel Schultes, Sieger eines 2007 veranstalteten Ideenwettbewerbs, will neben den rechteckigen, von Leo von Klenze gebauten Marstall einen Saal ähnlicher Kubatur mit moderner Formensprache setzen. Das historische Gebäude soll dann vor allem als Foyer dienen. Mit 1800 Plätzen soll der neue Saal etwa zwischen der viel größeren Philharmonie im städtischen Gasteig-Kulturzentrum, Heimstätte der Münchner Philharmoniker (2400 Plätze), und dem kleineren Herkulessaal der Münchner Residenz liegen (1300 Plätze). Diese beiden Räume gelten weder akustisch noch ästhetisch als optimal. Der Herkulessaal ist ein langer Schlauch und kann aus Denkmalschutzgründen nicht umgebaut werden.

Die Philharmonie wird von vielen Dirigenten und Experten als akustische Katastrophe eingeschätzt. Ein weiterer Grund, warum sich Jansons so vehement für einen neuen Saal einsetzt: Sein Münchner Orchester, das zu den besten der Welt zählt, hat in München keine feste Bleibe. Ständig pendeln die Musiker mit ihren wertvollen Instrumenten zwischen dem Herkulessaal und der Philharmonie hin und her. «Der reine Wanderzirkus», sagt Peter Meisel, Sprecher des Orchesters. Allein die ständigen Transporte kosteten pro Jahr einen sechstelligen Betrag. Faltlhauser will weiter Druck machen. Noch in der laufenden Legislaturperiode des bayerischen Kabinetts solle eine «Leitentscheidung» pro Marstall getroffen werden, fordert der Ex-Minister. «Nicht vor 2014» könne der neue Saal dann fertig sein.

Faltlhauser rechnet mit Kosten von 120 Millionen Euro. Sein Verein und der Bayerische Rundfunk sollen 40 Millionen beisteuern, der Rest wäre vom Freistaat zu tragen. «Man muss jetzt einfach den Mut haben, ja zu sagen», fordert Faltlhauser. Die Entscheidung für den neuen Saal würde allerdings einen heftigen Konflikt mit der Stadt München heraufbeschwören.

Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) lehnt das Bauwerk ab, weil er um die Zukunft der städtischen Philharmonie fürchtet. Stattdessen will er die Akustik der Philharmonie verbessern. Das will sich die Stadt einen «hohen zweistelligen bis sogar dreistelligen Millionenbetrag» kosten lassen. Nicht nur Faltlhauser und Jansons bezweifeln, dass aus der akustisch missratenen Philharmonie jemals ein annähernd perfekter Klangraum wird. Legendär ist das Verdikt des verstorbenen Dirigentengenies Leonard Bernstein. «Burn it.» - «Brennt ihn nieder.»

Auch der Präsident des Bayerischen Musikrates, Thomas Goppel (CSU), wartete jüngst mit einem Vorschlag auf. Goppel war bis zur Landtagswahl bayerischer Kunstminister und hatte sich schon damals skeptisch gegenüber dem Marstall-Projekt gezeigt. Jetzt regt er in einer etwas verschwurbelten Erklärung an, an einem ganz neuen Ort einen Saal für alle drei Münchner Spitzenorchester, einschließlich des Bayerischen Staatsorchesters unter Kent Nagano zu bauen. Einen «Hallenrucksack» für den Marstall lehnt Faltlhausers früherer Kabinettskollege ab. Die Realisierung eines «Akustik-Tempels erstklassiger Qualität» für die Musikmetropole München verlange nach einer «konzertierten Aktion».

In eine ähnliche Richtung gehen die Gedanken von Christian Thielemann, Chefdirigent der Münchner Philharmoniker. Thielemann findet die derzeitige Marstall-Planung zu beengt, den Saal zu klein. «Unter 2000 Plätzen geht's nicht, schon allein wegen der groß besetzten Werke, die auch Raum brauchen», sagte Thielemann. «Eine Bitte: Tut Euch zusammen», appellierte der Münchner Generalmusikdirektor via Presse an die Verantwortlichen von Stadt und Staat. Neuerdings auch noch ein Wörtchen mitzureden hat der neue bayerische Kunstminister Wolfgang Heubisch von der zusammen mit der CSU regierenden FDP. Er wünsche sich zwar für München auch einen optimalen Konzertsaal. Allerdings stelle sich die Frage, ob das Marstallgelände wirklich der «optimale Ort» für den neuen Saal sei und welche Alternativen es gebe. Das Projekt, so viel scheint sicher, ist noch lange nicht in trockenen Tüchern.

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