Zunächst wird’s maritim: Im Wind- und Sichtschatten eines schweren Handelsschiffes namens TTIP – es ist gerade ein wenig auf Grund gelaufen – hat sich eine kleine flinke Luxusyacht namens CETA angeschlichen. Genauer gesagt ist sie bereits in den europäischen Hafen eingefahren. Das Freihandelsabkommen mit Kanada passierte bereits im September 2014 klammheimlich das freundliche Abnicken der zuständigen EU-Kommission, vorbei an den Parlamenten der Mitgliedsstaaten. Und jetzt wird es trocken, weil politisch und ökonomisch: Eigentlich kann es bereits vorläufig in Kraft gesetzt werden. Es müsste nur noch der Europäische Rat zustimmen – eher ein leicht zu schaffender Akt.
Zu den Ländern, die sich gegen ein Übergehen ihrer Parlamente jetzt doch zur Wehr setzen, gehört die Bundesrepublik. Sie hat sich, spezielle Belange des Kulturlebens betreffend, mit Änderungswünschen allerdings bislang bescheiden zurückgehalten. Während Kanada den gesamten Bereich der Kulturwirtschaft aus diesem Freihandelsabkommen (protektionistisch?) ausgeklammert hat, beschränkte sich die EU – ohne deutschen Einspruch – bisher auf eine Ausnahmeregelung für den schwammig definierten Bereich der audiovisuellen Medien.
Ein Hauptübel: Für die Definition einer Ausnahme gelten so genannte „Negativ-Listen“; jeglicher Dienstleistungs-Sektor oder das auch für Musikschaffende bedeutsame Feld des elektronischen Geschäftsverkehrs finden sich dort jedoch nicht. Das Problem hat der EU-Beobachter Hans-Jürgen Blinn treffend formuliert: Beim Erstellen einer Einkaufsliste für den Wochenmarkt sind aufs Genaueste alle Waren zu notieren, die man nicht erwerben will. Übertragen auf unseren Musikwinkel hieße das: Orchester, Musikschulen, von öffentlicher Hand geförderte Bildungseinrichtungen – und wahrscheinlich auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk – wären dezidiert zusätzlich aus dem tausendseitigen CETA-Konvolut auszuschließen, um entsprechende dann einklagbare Gleichstellungs-Sehnsüchte kanadischer Veranstalter in Sachen staatliche Förderung zu verhindern. Davon sind wir weit entfernt, weil die Künste in den Überlegungen unserer Politiker allenfalls eine Zwergenrolle spielen. Für gefrorenes Schweinefleisch und bestimmte Schraubenmutter-Größen entstanden Aufzählungen biblischen Ausmaßes.
Zwar beschäftigt sich ein umfangreiches Kapitel mit urheberrechtlichen Problematiken, allerdings fast ausschließlich unter derzeitig gegebenen technisch-ökonomischen Aspekten. Zu erwartende Innovationen zum Beispiel bei der Verbreitung von Musik über bislang noch unbekannte Ausspielwege sind und bleiben ungeschützt.
Es ist bezeichnend für den Zustand unseres wunderbaren Kulturlandes, dass augenscheinlich nur noch wirtschaftliche Faktoren, die Wollust an unbegrenztem Wachstum, der Trieb nach Profitmaximierung als Eckpfeiler unseres Zusammenlebens funktionieren. Dass dabei unser Gemeinwohl samt kultureller Vielfalt im kapitalen Wüstensand ersticken, wird im engen Sinn des Begriffes in Kauf genommen. Wir empfehlen dringend an den unter anderem vom Deutschen Kulturrat und ver.di vielerorts initiierten Protestdemonstrationen am 17. September teilzunehmen. Gemeinnutz geht vor Handels-Wildwuchs.