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Kulturelle Symbiose und unzeitgemäße Betrachtungen: Zur Uraufführung von Uwe Strübings „Artotop“ in Nürnberg

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Opus 100 des 1956 in Ravensburg geborenen und in Fürth lebenden Komponisten Uwe Strübing folgt in seinen drei Sätzen drei Bildern des 1936 in Nürnberg geborenen Werner Knaupp. Der immer häufiger im Konzertbetrieb anzutreffenden Konkordanz von Symphonik und bildender Kunst folgend, wurden Knaupps Bilder auf eine Leinwand vor der Orgel in der Nürnberger Meistersingerhalle projiziert. Auf dem abgedunkelten Podium brachten die Nürnberger Symphoniker ihr Auftragswerk zur heftig applaudierten Uraufführung.

Denn Strübing ist kein radikaler Moderner, sondern bekennt sich zum „romantischen“ Charakter seiner Kompositionen zwischen Oper und Kammermusik. Der erste Satz der gut viertelstündigen Komposition „Artotop“ folgt Knaupps Bild „Vulkan“, welcher in der Projektion – stärker als auf dem im Foyer ausgestellten Original – dem Blick in eine verheißungsvoll dampfende Kaffeetasse ähnelt. Aufgeweckt ist denn auch Strübings sich nicht als deskriptiv verstehende Musikalisierung. Im Tempo „Moderato minacchioso“ werden eruptives Blech mit Streichertremolo und absteigendem Dies Irae-Motiv gepaart. Neben Glissando-Furzen à la Schostakowitschs „Lady Macbeth“, findet sich auch eine Rittfigur, die dem Hörer später am Abend in Jean Sibelius’ „Vier Legenden aus Kalevala“ wieder begegnet. Ein verklingender Gongschlag setzt der musikalischen Versinnlichung des ersten Gemäldes den Endpunkt. Dem folgt Knaupps „Wüste“, vom Komponisten interpretiert als eine Idylle, mit Hufschlägen von Pferden und dem Klappern von Schlangen, nebst Fanfarenstößen in der sonnigen Dur-Einsamkeit.

Knaupps Seebild „Westmännerinseln“ verstärkt den filmischen Klangeindruck des nachschöpferischen Tonbildes durch die Nähe zu Korngolds Hollywood-Partituren, mit einem ohrwurmverdächtigen Blechbläsermotiv, – in Bogenform, und mit stark tonikabetontem Abschluss als triumphalem Ende. Die vom Bayerischen Rundfunk mitgeschnittene Uraufführung unter der Leitung des jungen Chefdirigenten Alexander Shelley schafft dem Komponisten und dem bildenden Künstler den erhofften symbiotischen Erfolg.

Ebenso unzeitgemäß neuartig erfolgt die Wiederbegegnung mit der Symphonie Concertante für Orgel und Orchester von Joseph Jongen (1873–1959) aus dem Jahre 1928. Das Opus 81 des belgischen Komponisten, der im Jahre 1900 Chordirektor der Bayreuther Festspiele war, startet im Eröffnungssatz wie ein Concerto grosso, mit verhaltenen Miniaturen, während im zweiten Satz mit 7/4-Takt und Pentatonik fernöstliche Einschläge und im dritten Satz gar frei schwebende Atonalität, gleichwohl in romantischem Klanggewand, vorherrschen. Das in den ersten drei Sätzen bewusst vermiedene Fortissimo sorgt im Schlusssatz für monumentale Steigerung, ohne dabei den Aplomb von Saint-Saëns’ oder Guilmants Orgelsymphonien zu erreichen. Gleichwohl werden hier der mächtigen, für diesen Programmpunkt wieder enthüllten Orgel der Meistersingerhalle ungewöhnliche Klangfarben entlockt, wobei das virtuose Spiel des Organisten Christian Schmitt und das Orchester leider nicht immer zusammenlaufen.

Sibelius’ Partitur mit seinem klanglichen Nachvollzug einer nordischen Mischung von Orpheus- und Don Juan-Mythos vermöchte weitere Bildwelten zu evozieren. Gleichwohl wurde nach der Pause auf Visualisierung verzichtet, obgleich die Nürnberger Symphoniker für ihr 3. Abonnementkonzert den Titel „Sieh mal einer an!“ gewählt hatten.

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