Wie kann das sein? Der schönste und der überflüssigste Schumann-Film, gedreht von ein und demselben Regisseur? Eine Träumerei? Eine wichtige Begebenheit? Vielleicht. Auf jeden Fall eine kuriose Geschichte.
Wir müssen uns Pierre Viallet als einen weisen Menschen vorstellen. Auch wenn sein keckes Regiekäppchen bei der Schwiegermutter wie beim sich in die ewige Jugend zurückträumenden Uraufführungs-Publikum im Bonner REX-Kino Anstoß erregte – es passt schon. Die Narrenkappe verbirgt einen Kopf, von dem wir annehmen dürfen, dass er ziemlich genau weiß, was heute möglich ist und was nicht. Einen Schumann-Film zu drehen wie ihn Pierre Viallet 1963 mit einer bezaubernden Marie Versini gemacht hat, jedenfalls nicht.
Für die Unschuld dieser Bilderfindungen ist die Zeit vorbei. Berückend, wenn Clara aus dem Fenster schaut und die Sonne in ihrem Gesicht aufgeht – Robert ist angekommen! Genial, wie Viallet nach guter alter Architektenweisheit (less is more) auf einen Schumann-Darsteller komplett verzichtet hat. Wozu auch? Alles, was Robert ist, spiegelt sich in den Gesichtszügen, in den Bewegungen Claras, gemimt auf faszinierende Weise von der jungen Marie Versini, die Viallet (verständlicherweise) gleich vom Set weg geheiratet hat.
Produziert fürs französische Fernsehen ist dieser wie andere Musikerfilme Viallets bei uns vollständig unbekannt geblieben. Um so wertvoller jetzt diese von SchumannNetzwerk und StadtMuseum Bonn lancierte (Wieder)Entdeckung, die freilich nur den unendlichen Abstand deutlich macht zu all dem betulichen Gewurstele, das heutzutage um Robert und Clara so veranstaltet wird. Und Pierre Viallet? – Im Bewusstsein, dass er sich selbst nicht übertreffen konnte und kann, hat er seinen Schwarz-Weiß-Film von 1963 an drei Stellen auseinandergeschnitten und ihn in eine im letzten Jahr abgedrehte „Hommage an Robert Schumann“ hineinmontiert. Es ist dies, nach der Produktion des (ersten) Films, Viallets wichtigste Tat. Wie die großen heidnischen Kunstwerke bekanntlich nur als Baumaterial den christlichen Bildersturm überlebten, so kann sich jetzt jeder davon überzeugen, was damals ging und heute nicht mehr.
Solches gilt nun leider auch für jenen umstandslos zusammengezimmerten Film-Schlitten, auf dem Viallets frühes Meisterwerk nun seine Zeitreise durch unsere digitale Welt antreten kann. Schwer erträglich, wie eine nur noch betulich wirkende Marie Versini hier über den Ton-Dichter spricht. Wenn sie dabei nicht gleich mit großen Kulleraugen vor Schumann-Devotionalien in die Kamera schaut, wendet sie sich dem tartarisch aufgebretzelten Pianisten Timur Sergeyenia zu, der seinerseits nach Absonderung von ein paar Allerweltsweisheiten auf einem Bechstein mit geschätzten einhundert Kilopond pro Forte-Akkord schumannsche Klaviermusik exekutieren darf. Jede Wette, dass die von den Schumanns verwendeten Instrumente auf der Stelle zersprungen wären. Wie eben diese pünktlich zum 200-Jahr-Gedächtnis verfertigte „Hommage“ vor unseren Augen zerspringt – nur jedoch, um damit den Blick auf ihren Wunderkern, auf eine Filmperle ohne Gleichen, frei zu geben. Eine kuriose Geschichte.