Es war so ein Sonntagmorgen, den manch einer vermutlich lieber in der wohligen Wärme der Daunendecke verbracht hätte. Bitterkalt war es nämlich draußen und ekeliger Schneegrieß kam vom Himmel, als sich wieder mal Hunderte in der Früh aufmachten, um dem „BMW Welt Jazz Award“ beizuwohnen. Wer sich überwunden und aus dem heimischen Ruhelager gequält hatte, wurde im BMW-Doppelkegel am Mittleren Ring für das Opfer reichlich belohnt.
Dem Motto „Two Horns and More“, mit dem der vom Münchner Autobauer initiierte Jazz-Wettbewerb diesmal überschrieben ist, wurde eine Gruppe um den Altsaxofonisten Rosario Giuliani gerecht Der hatte mit seinen Mannen vom ersten Takt an wie eine Infusion mit bestem koffeinhaltigen Muntermacher gewirkt. Ein Espresso Doppio für die Sinne.
Der kleine Mann mit dem großen Ton rauschte gleich zu Beginn durch eine Bebop-Nummer, die einem jegliche Restmüdigkeit aus den Knochen schüttelte. Zum furiosen Auftakt trat der begnadete Instrumentalist noch im Quartett an. An seiner Seite: der aus Mailand stammende Pianist Roberto Tarenzi, eine echte Entdeckung, mit so lockerem und swingendem wie pointierten Spiel. Am Bass rackerte sich Darryl Hall ab, ein in Frankreich lebender Amerikaner. Und am Schlagzeug setzte eine Legende Akzente: Joe LaBarbera aus Kalifornien.
Ab Numero 2 erweiterte dann der gerade erst von einem schweren dentalen Eingriff genesene, wunderbare Trompeter Flavio Boltro die Gruppe zu einem Quintett, das sich den Spielformen der 40er bis 60er Jahre verschrieb und so munter wie elegant alle noch so steilen Bop-Kurven nahm. Da verband sich mediterranes Feuer mit den Schwingungen, die die erste Revolution im Jazz auslöste.
Was damals musikalisch einer Umwälzung gleich kam, ist heute Teil einer Tradition, der Rosario Giuliano keine neue Deutung hinzuzufügen weiß. Gelegentlich wird er dafür kritisiert, dass seine Musik alles andere als innovativ sei und er das Jetzt ausklammere. In der Tat hat sich der Mann aus dem schönen Terracina (hundert Kilometer von Rom entfernt gelegen) im Laufe seiner Karriere bislang stilistisch nicht groß gewandelt und nur konzentriert am Fine-Tuning seiner Klänge gearbeitet. Dennoch tönt das, was er seinem Publikum zu bieten hat, nie abgestanden – wohl auch, weil Rosario Giuliani mit einer unbändigen Leidenschaft an die Sache geht und seine Persönlichkeit voll mit einbringt.
Als Altist verfügt er nämlich über diverse, unverwechselbare Erkennungsmerkmale: Sein durchdringender Ton, seine Linienführung und einige delikate Verzierungen sind Markenzeichen. Weil seine Mitstreiter über ähnliche Qualitäten verfügen, wurde sein Konzert zu einem Triumph. Man muss das Altbekannte nur entsprechend energetisch aufbereiten, und schon ist der Zauber von einst wieder zu spüren.