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Theo Geißler hat den Bayerischen Löwen im Griff. Foto: Hufner
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Kurz-Schluss: Wie ich einmal – ganz ohne mein Zutun – meinem geliebten Heimatland seine übel verletzte Ehre rettete

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Für mich als gestandenen Oberbayer, Hausgeburt aus Gmund am Tegernsee, war es ein grober Schock, ein emotio­naler Tsunami, ein Blitzeinschlag in die Großhirnrinde: unser bayerisches Landtagswahl-Ergebnis. Dass die Christlich-Soziale Union ihre demokratisch in der Verfassung verankerte absolute Regierungsmehrheit in derart drastischem Umfang einbüßte, hatten gewisse kommunistische Auguren zwar orakelt. Aber dass der Arm von Putins Wahlfälschungssoftware (oder waren es diesmal die Amis?) bis nach München reicht, hatte wohl kein rechtschaffener Bürger erwartet.

Dabei waren die Wahlversprechen unseres taufrischen, gelenkig zwischen Bundhose und Dirndl changierenden Ministerpräsidenten-Aspiranten Markus Söder super attraktiv: Drastische Steuersenkungen Trump’schen Ausmaßes speziell für die High-Tech-Industrie, giftfreien Diesel mit Veilchenduft an jeder Tankstelle, jedem zugängliche superschnelle WLAN-Router in geschmackvoller Kreuzform an allen Schulen, Finanzämtern und katholischen Kirchen. Und den großen Bayerischen Orden für werdende Mütter aus Brezenteig in Form einer meterhohen Bavaria. Es reichte nicht zur Alleinherrschaft. Wenigstens fand sich mit der Biedermeierpartei der sogenannten »Freien Wähler« ein williges und zahlenmäßig ausreichendes Koalitions-Häuflein.

Dennoch saß die schmähliche Niederlage tief. Natürlich konnte man nach außen hin die Hauptschuld zwischen Moskau, Berlin und Washington aufzuteilen versuchen. Aber der ungeheure bajuwarische Drang, jede Form von Schmach zu tilgen, die mondiale Geltung des »schönsten Landes der Welt« (Söder) wiederherzustellen, brodelte unterm schönfärberisch medialen Deckchen brutal weiter. Man sah Abgeordnete mit Hirschfängern und Bolzenschussgeräten um den Landtag schleichen. In der Kantine erhielt der Ministerpräsident sicherheitshalber drei preiswerte bulgarische Vorkoster.

Schließlich formierte sich heimlich ein überparteilicher »boarischer« Ehrenrettungs-Senat – so benannte sich das Gremium selbst. Bei einem ersten Brainstorming im World-Café-Format (Tagungsort ein ansonsten unbekannter Bunker im Obersalzberg) häuften sich zunächst doch recht krause Vorschläge an: Antrag, als 51. Staat in die USA aufgenommen zu werden (prima Markt für BMW, Audi und Lederhosen). Visapflicht für nicht in den bayerischen Grenzen geborene Menschen (Preis pro Visum tausend Franz-Josef-Strauß-Taler, entsprechen zwei Millionen Euro.) Maßnahmen zur drastischen Erhöhung der Erderwärmung mit dem Ziel, Nürnberg als Welthafen zu etablieren.

Endlich entsann man sich eines etwas in Vergessenheit geratenen Wahlversprechens von Markus Söder: Er hatte ja in Aussicht gestellt, Bayern als Weltraummacht zu etablieren. Weiß-blaue Fahnen auf Mond und Mars? Der FC Bayern als Weltall-Meister? Quälgeist Seehofer zusammen mit Krätze Merkel auf einen Jupitermond verbannt? Man merkt: Daran fanden die Ehren-Wiederbeschaffungs-Senatoren spontan Geschmack, mussten allerdings von einigen Semi-Realos aus ihrem Zirkel vorerst doch leicht eingebremst werden. Woher die Raketen nehmen – und nicht stehlen – oder aber: warum auch nicht? Man könne wahrscheinlich mit den raketentechnisch bestens versierten Nordkoreanern günstig ins Geschäft kommen – schlug ein Lobbyist der Seidenstraßen Ltd. vor. Kostenlose Studienplätze an der begehrten Münchener Musikhochschule für höhere koreanische Töchter im Tausch gegen Antriebs-Technologie. »Schmarren«, rief da plötzlich ein stets für Dobrindt gehaltener Teilnehmer und sprang auf. Er riss sich ein paar Gummilappen von Kopf und Hals und entpuppte sich als: Ministerpräsident Markus Söder höchstpersönlich.

»Eure Intention ist ja recht ehrenwert. Aber von Euch alten Deppen lass ich mir doch meine Ideen nicht krampfeln – Wachen herein!« Ein Bataillon der bayerischen Allzeit-Bereitschaftspolizei stürmte den Bunker und umringte die Anwesenden. »Mit meinem Freund Donald hab ich neulich im Oval Office ausgemacht, dass wir zehn von den alten im Untergrund von Wackersdorf versteckten Pershing-2-Raketen geschenkt bekommen. Die werden gebündelt und mit einer Raumstation gekrönt. Und gekrönt werde auch ich, weil ich hab die Nase voll, als dürftiger Ministerpräsident mir für jede meiner brillanten Ideen die Zustimmung von Euch Kretins zu holen. Wer leben will, rufe jetzt: Es lebe König Markus der Erste«!

Und unter den finsteren Blicken der Allzeit-Bereitschaftspolizisten erschallte, in der Lautstärke anschwellend, neunmal der Hoch-Ruf. Dann ertönte eine etwas quäkende Stimme und ein bislang unscheinbar gebliebenes Mitglied der ehrenwerten Gesellschaft stellte sich als »Aiwanger, Freie Wähler, Koalitionspartner« vor. »Wir sind als treue Gefolgsleute, Majestät Markus, eigentlich mit jeder Eurer weisen Entscheidungen bekanntermaßen herzlich gern einverstanden. Gewährt uns nur eine Bitte, damit wir unseren Wählern gegenüber die Glaubwürdigkeit behalten: Gestaltet die Raumstation – es handelt sich eigentlich um kleine Äußerlichkeiten – im bayerischen Landhaus-Stil. Mit Balkon und ein bisserl Lüftl-Malerei. Das gibt unserem Plan – denn wir sind ja auch ein Agri-Kulturland – das richtige Gewicht und das ehrliche Gesicht.«

Dem aufbrausenden Beifall schlossen sich auch die Allzeit-Bereitschaftspolizisten an…

Theo Geißler ist Herausgeber von Politik & Kultur

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