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Undercover - Overcover: Theo Geißler
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Kurz-Schluss – Wie ich sportiv dazu beitrage, die Fußball-WM 2018 nach Deutschland zu holen

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Was prädestiniert ein Volk für einen internationalen Spitzenplatz und schafft zugleich Glück und Zufriedenheit im Lande? Etwa die Oper als Kraftwerk der Gefühle? Lächerlich. Literatur, die gewachsene unübertreffliche Geistesnahrung? Quatsch, vor allem in Zeiten des Internets. Es ist natürlich der Sport, und hier vor allem der Fußball, edles, faires Mannschafts-Gladiatorentum, identitätsstiftende Quelle berechtigter nationaler Euphorie, gelegentlich sogar im Stahlgewitter der Niederlage. [Vorabdruck aus Politik & Kultur 4/2015]

Wir Älteren entsinnen uns stolzen Herzens der Verdrängung negativer, pessimistischer Gemütslagen aufgrund eines verlorenen Krieges dank des Erringens der Weltmeisterschaft 1954 anlässlich des „Wunders von Bern“. Uns ist klar, dass wir 1966 im Londoner Wembley-Stadion nur durch einen revanchistisch-stalinistischen Linienrichter um den verdienten Sieg gebracht wurden. Und wir bewiesen unsere deutsche Größe beim „Sommermärchen“ 2006, indem wir nur wenige Italiener verprügelten, weil ihre Mannschaft uns das Endspiel vermasselt hatte.

Wohl wenige Monate später wurde die Idee geboren, diesen gesellschafts-stabilisierenden Top-Event möglichst bald wieder in die eigenen Landesgrenzen zu holen. Ich entsinne mich eines heiteren Treffens im abhörsicheren Bierkeller von Franz Beckenbauers Kitzbühler Residenz (Neutralität kann manchmal nicht schaden). Eine kleine Nachfeier für den Erfolg des „Kaisers“, dank klug vermittelter Panzer-Exporte nach Afrika und Südamerika sowie einiger üppiger „Spielkultur“-Partys für Sepp Blatter und den FIFA-Vorstand in Bangkok und Sankt Pauli seinerzeit die eine Stimme Mehrheit für den Veranstaltungsort BRD gesichert zu haben. Unter Absingen des leider in Vergessenheit geratenen Liedes „Otto, oh Otto, Du bist unser Lotto-, ja Lotto-Gewinn“ wurde der mildtätigen Rüstungs-Konzern-Vermittlung des ehemaligen Innen- und damit Sport-Ministers Schily gedacht. Und sein damaliger Nachfolger, Wolfgang Schäuble, leicht angetörnt dank Franzens Drink-Erfindung Almdudler-Doppelkorn verkündete: „Das packen wir nochmal an“.

Zunächst war es erforderlich, den als Massage-Softie und Bruder Leichtfuss in Verruf geratenen Bundestrainer Jürgen Klinsmann zu entsorgen. „Des übernehm Ich“ – strahlte Kaiser Franz und kippte zusätzlich vier Wodka-Chopin-Flaschen in den Rest der Almdudler-Bowle. „Den hol mer zum FC Bayern – und der Hoeneß-Uli macht den schon zur Sau, diesen neumodischen Trainingscenter-Innenarchitekten. Da schaun mir nicht lang, das seh ich schon.“

Die weitere Feinplanung ging leider an mir vorbei, weil ich mich erst tags darauf mit einem Schädel, der gut spürbar einem Pokalfinale samt Verlängerung und Elfmeterschießen als Ball gedient haben mochte, in meinem Hotelzimmer wiederfand. Erst viel später erfuhr ich, dass die NSA den bei Bayern München kläglich gescheiterten Klinsi aus kaum nachvollziehbaren Gründen für die USA aufgekauft hatten, als Entwicklungshelfer.

Als nach der durchwachsen verlaufenen WM in Südafrika (wieder nur Dritter, Balotelli war offensichtlich hormon-gedopt) dann im Dezember 2010 auch noch Russland (2018) und Katar (2022) unter Umständen, die einer Wahl zum DDR-Staatsrat ähnelten, als künftige Ausrichter-Länder gekürt wurden, formierte sich in der Bundesrepublik heimlich, langsam aber stetig erheblicher Widerstand. Aufgrund meiner Kompetenz in Desinformation und erfolgreichem Intrigantentum erreichte mich 2012 eine hohe achtstellige Dollar-Summe aus „unbekannter Quelle“, dank konsequenter Medien-Kampagnen Russland als WM-Veranstalter zu diskreditieren. Keine leichte Aufgabe. Nach einigem Nachdenken investierte ich natürlich klandestin Etliches in ukrainische Medien – unterstützt durch die EU, die dem Land ein Assoziierungsabkommen vorschlug. Putins Zornesadern schwollen. Was folgte, geriet zumindest mir außer Kontrolle, hätte sich vermutlich aber ohnedies abgespielt.

Nun galt es, die Situation im Sinne fairer Sportlichkeit, im Sinne des Weltfußballes und unserer nationalen Interessen zu nutzen. Recht flott und gegen geringe Parteispenden brachte ich die „Grünen“ auf meine Seite. Sie forderten, unterstützt von ihrer Europa-Leitlokomotive Daniel Cohn-Bendit einen Boykott der „Putin-WM“. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Michael Fuchs, riet zur Aberkennung der Gastgeberrolle Russlands. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), äußerte sich ähnlich. „Sollte Präsident Putin nicht einlenken und die Krise weiter anheizen, darf es auch kein Tabu mehr sein, Russland die Fußball-WM 2018 zu entziehen“.

Fein, die paar hunderttausend Euronen waren schon mal gut angelegt. Wie erwartet folgte Hilfe unseres allerbesten Partners, der USA, auf dem Fuße – für eine Hand voll Dollar mehr: Ein gutes Dutzend US-Senatoren wandte sich in einem Brief an die FIFA und Präsident Sepp Blatter. Sie forderten, dass den Russen die Austragung der WM 2018 entzogen wird. Bei den Unterschriften finden sich prominente Namen wie Ex- Präsidentschaftskandidat John McCain oder der Demokrat Robert Menendez. Die Senatoren plädieren für einen außerordentlichen FIFA-Kongress und eine neue Vergabe der WM 2018.

Wohin? Natürlich zu uns, nach Germany. Schließlich sind wir sowohl im „Soccer“ wie auch im Organisieren Weltmeister. Wie ich mich schon auf die Berliner Fanmeile, das bundesweite Public-Viewing und das erbsgrüne Kostüm von Angela Merkel beim Endspiel Deutschland – Katar freue. All dies (auch Merkels Wiederwahl) ist nämlich – dank einer horrenden Spende des voll rehabilitierten Blatter Seppels schon ausgemachte Sache. Und ich denke darüber nach, ob ich mir statt meines Super-E-Bikes nicht einen Ferrari anschaffen soll. Denn: Sport ist gesund.

Theo Geißler ist Herausgeber von Politik & Kultur

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