Stadtluft macht frei. Seit Jahrhunderten leben wir nach dieser Maxime. In der Stadt winken nicht nur Freiheit und bessere Verdienstmöglichkeiten, auch die weichen Standortfaktoren machen Ballungszentren attraktiv. Machten – die Vergangenheitsform trifft’s besser: Explodierende Miet- und Grundstückspreise, Feinstaub, Lärm, verstopfte Straßen und Großbaustellen, eine erodierende Schul- und Kitaversorgung gehören heute immer öfter zur Realität des Großstadtlebens.
Zurück aufs Land heißt heute wieder die Devise für Viele und damit ist kein zurück zur Natur im Retro-Modus gemeint, sondern moderne Lebensentwürfe, zu denen qualifizierte Jobs und Mobilität genauso gehören, wie eine funktionierende soziale Infrastruktur und ein exzellentes Kulturangebot. Ein Musterbeispiel: Weit weg von Großstadthektik – im Dreieck zwischen Ansbach, Würzburg und Heilbronn – erstreckt sich die Hohenloher Ebene, früher die Kornkammer Württembergs, heute eine Art Silicon-High-Tech-Hochebene, auf der sich zwischen Sommerweizen, Futtermais und Weingütern einige Weltmarktführer angesiedelt haben.
Mit Folgen: Während im Westen der Region der Unternehmer Reinhold Würth seine Landsleute seit Jahren fürstlich mit Museen, Sammlungen, Hochschulen, sozialen Projekten und seit 2017 auch mit einem Konzertsaal im Carmen Würth Forum segnet, manifestiert sich knapp 40 Kilometer weiter östlich im nicht mal 8.000 Seelen zählenden Weikersheim musikalischer Bürgerwille in Form eines neuen Konzert- und Stadtsaals, der TauberPhilharmonie. Die 12 Millionen Euro Bausumme wurden mit Mitteln aus Bundes- (4 Mio.) und Landessanierungsprogrammen (knapp 2 Mio.) finanziert. Der Rest kam aus dem Weikersheimer Stadtsäckel und von diversen Förderern.
Mit der Sinfonie Nr. 2 D-Dur von Johannes Brahms sowie der „Johannesburg Festival Overture“ von William Walton eröffnete das Bundesjugendorchester (BJO) unter dem südafrikanischen Dirigenten Brandon Phillips jetzt das neue Kultur- und Konzerthaus. Als die letzten Töne der Sinfonie verklungen waren, klatschten die Weikersheimer nicht nur dem BJO begeistert Beifall, sondern auch ihrem neuen Konzertsaal und letztlich sich selbst. Die Taubertaler dürfen stolz auf ihre neue Philharmonie sein.
Neben dem Kulturprogramm des Intendanten Johannes Mnich werden zudem Weikersheimer Schulen und Vereine, aber auch Firmen und private Mieter ihre Heimat in der TauberPhilharmonie finden. Die Beweggründe dafür, fernab von größeren Ansiedlungen ein Konzerthaus mit drei Sälen und herausragender Akustik aufzuschlagen, liegen aber nicht nur im Kunstsinn der Weikersheimer, sondern auch im Engagement des Ankermieters der Philharmonie, der Jeunesses Musicales, die seit 1956 die „Internationalen Sommerkurse“ auf Schloss Weikersheim für Kammermusik und Orchester veranstaltet und dort auch eine Musikakademie betreibt. Denkt man an die 22 weiteren Landesmusikakademien Deutschlands und daran, welche Investitionsschübe musikalische Bildung überall fernab der Metropolen auslöst (siehe Artikel Seite 24), dann gewinnt man den Eindruck, dass „Landluft“ wieder Zukunft hat.