Es folgt – an dieser Stelle vielleicht etwas ungewohnt – ein kleiner Konzertbericht. Zwei interpretatorisch unglaublich faszinierende, abwechslungsreiche, fantasievolle Abende im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie gestaltete das Heinz-Berggruen-Gymnasium vor vollem Haus und begeistertem Publikum. Presse, Funk und Fernsehen waren ebenso abwesend wie die eifrigen Sahnehäubchen-Darsteller bei einschlägigen kulturellen Highlights. [Vorabdruck aus der nmz 2014/07]
Kein Gauck, kein Tim Renner, kein Wowereit – und das war auch gut so. Denn die hätten sich in ihrem beständigen Barenboim-Rattle-Medienpräsenz-Vollrausch nur gelangweilt.
Was sie versäumten: drei fein geprobte Chöre, das bestens gestimmte Orchester, Combo, Big Band, Bläserklassen. Sie alle boten ein teils anspruchsvolles, teils heiteres Programm, das die Vermutung aufkommen ließ, es handle sich bei den Berggruens um ein rein musikzentriertes Spezialinstitut. Nicht ganz richtig. Das Heinz-Berggruen-Gymnasium hat einen altsprachlichen, einen künstlerischen und einen musikalischen Schwerpunkt. Schon in den 50ern des vergangenen Jahrhunderts richtete die Schule als erstes Gymnasium Deutschlands einen „Neusprachlichen Zug musischer Richtung“ ein, der Vorbild für viele weitere Schulen wurde. Leider nicht für alle. Und so klebt der Musikunterricht an allzu vielen „berufsvorbereitenden“ MINT-Schmieden als vernachlässigbares Anhängsel im Fächerkanon.
Das ist bildungspolitischer Irrwitz. Denn was allgemeinbildende Schulen an erfolg- und folgen-reicher Musikerziehung zu leisten vermögen, zeigen landauf-landab kleine heiße Leuchtfeuer. Nicht hell genug offenbar für viele Medien, für viele politische Entscheider, die sich nach protzigen Leuchttürmen sehnen. Und so sprießen hochgejazzte, fett geförderte Projekte mit Hochglanz-Paten in unsere ausdörrende Kulturlandschaft. Halbwertszeit im Schnitt zwei Jahre. Dann gibt’s wieder Platz für neue Projektitis-Anfälle. Wen kümmert schon die beständige, sinnvollerweise eher unspektakuläre Arbeit der Musikpädagogen. Man muss leider sehr fest auftreten, um hierzulande noch wahrgenommen zu werden.
Das haben die – teilweise konkurrierenden, teils in ideologische Grabenkämpfe verbissenen – Musikpädagogen-Verbände viele Jahre versäumt. Dabei muss man sich nicht schämen, eine kräftige Lobby zu formieren, wenn es um die „gerechte Sache“ geht. Jetzt aber ist in diesem verwunschenen Winkel deutlich Bewegung zu spüren. Die mitgliederstärksten Schulmusiker-Verbände VDS und AfS planen im September ihre Fusion. Da gibt es noch Diskussionsbedarf. Den unterschiedlichen Positionen räumen wir in der kommenden Ausgabe gern viel Platz ein. Angesichts des bildungspolitischen Klimawandels – das sogenannte „Kooperationsverbot“ für Bund und Länder dürfte bald fragwürdige Geschichte sein, die MINT-Lastigkeit der schulischen Stundentafeln wird darunter nicht leiden – scheint uns der geplante Schulterschluss überfällig. Am besten die Musikschulen, die Privatmusikerzieher und die Musikhochschulen auf Augenhöhe gleich mit an den Verhandlungstisch einladen. Eine Allianz musikpädagogischer Kompetenz statt ängstlicher Partikular-Interessenwahrung? Sein oder Nichtsein …