Hoffentlich fühlen Sie sich alle mit dieser Anrede angesprochen und können damit leben, dass wir in unserer Zeitung seit einiger Zeit nach den Sternchen greifen. Die Diskussion über deren Verwendung flammt in der Redaktion immer mal wieder auf, aber am Ende bleiben wir bei unserer Entscheidung, die grammatikalischen und typografischen Bedenken zugunsten eines Ziels zurückzustellen, das eigentlich selbstverständlich sein sollte, es aber auch im Musik- und Kulturleben längst nicht ist: die gleichberechtigte Sichtbarkeit von Männern, Frauen und Menschen diverser Geschlechtszuordnung.
Nachdem wir dem Thema Frauen in der Musik schon in der Februarausgabe einen Schwerpunkt gewidmet hatten, kommt es auch in diesem Heft wieder auf die Tagesordnung: Zwei beinahe zeitgleich veröffentlichte Studien widmeten sich der Präsenz von Frauen in deutschen Berufsorchestern (siehe Seite 21). Dabei zeigte sich in der Untersuchung des Deutschen Musikinformationszentrums ein struktureller Gender-Pay-Gap, da der Anteil von Frauen in den besser bezahlten Stellen deutlich niedriger ist als im sonstigen Durchschnitt. Der Optimismus, den Gerald Mertens von der Deutschen Orchestervereinigung in Bezug auf eine zu erwartende „weibliche Zukunft“ der Orchester vermittelte, wurde überdies doppelt gedämpft: Zum einen meldete sich bei der digitalen Pressekonferenz eine Musikerin zu Wort, die von Kollegen berichtete, die es ausdrücklich ablehnten, mit einer Frau zusammenzuspielen. Zum zweiten zeigte die von musica femina gemeinsam mit dem Archiv Frau und Musik präsentierte Studie, wie schlecht es um die Sichtbarkeit von Frauen im Konzertbetrieb bestellt ist. Nicht nur die wenigen Dirigentinnen und Komponistinnen sind hier das Problem, selbst um die Präsenz von Solistinnen steht es nicht zum Besten.
Mit diesen leider wenig überraschenden Erkenntnissen im Hinterkopf fällt es umso schwerer, in die hymnischen Lobpreisungen einzustimmen, die angesichts des Präsenzkonzerts der Berliner Philharmoniker anschwollen. So sehr man die Freude der Musiker*innen und der tausend (!) Zuhörer*innen über dieses Pilotprojekt nachvollziehen kann (siehe unser Titelbild und Seite 7), so fragwürdig ist das Signal, das von diesem Konzert ausgeht: Denn abgesehen davon, dass die wirklich existenziell bedrohte freie Szene der selbstständigen Musikschaffenden von dieser Form des Pandemie-Managements kaum wird profitieren können, wurde auch programmatisch die Chance vertan, ein Zeichen dafür zu setzen, wie es nach Corona mit dem Musikbetrieb weitergehen könnte: Statt wenigstens ein Alibi-Stückchen zeitgenössischer Musik zu präsentieren – von einem Kompositionsauftrag, möglicherweise gar an eine Komponistin, wagt man nicht einmal zu träumen –, gab’s mit Tschaikowsky und Rachmaninov symphonische Standardkost.
„So kann es nicht weitergehen, aber so geht es weiter“, hieß Niels Frédéric Hoffmanns Anfang der 1970er-Jahre uraufgeführte „große Oper“ (siehe unsere Rückblende in der März-Ausgabe, Seite 36). Ein zeitloser Werktitel.