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Foto: Staatsoper Berlin/Karl
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Marionettentheater: Stefan Herheim inszeniert „Lohengrin“ an der Staatsoper Berlin

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Wer könnte es sein, der die Fäden jener Marionette führt, die sich als Richard Wagner im Vorspiel zu „Lohengrin“ auf dem Stumpfe der Gerichtseiche aufrappelt, dann eine Feder auffängt, dirigiert, aufschwebt und in einem Atompilz verschwindet?

Marionetten sind sie alle, mit denen und über die in Berlins neuem „Lohengrin“ an der Staatsoper verhandelt wird. Wie Herheim in seinem Bayreuther „Parsifal“ die Geschichte Bayreuths erzählt, so ist sein Berliner „Lohengrin“ mit der Bundeshauptstadt verknüpft. Das beginnt in der Gegenwart mit Klaus Wowereit – alias König Heinrich – und dem Berliner Bären, in dem der Heerrufer steckt, und Demonstrationen („Das ist auch gut so!“) für den Erhalt der Berliner Opernhäuser; die (Opern-)Politik des Alltags bringt allerlei Verwirrung und zugleich witzige Kommentare der ständig neu gemischten Demo-Tafeln („Komisches Deutsch!“, „Deutsche Oper ist auch Staatsgut!“), und alle Sängerdarsteller tragen Marionetten vor sich her: die Brabanter führen Wikinger-, die Sachsen Richard Wagner-Puppen. Erst das Wunder Lohengrin – die bekannte Figur des Schwanenritters, mit der nun übergroß angeschwollenen Feder, in dem zum Kelch gewandelten Atompilz – bringt Veränderung.

Elsa reißt sich sogleich die Kleider vom Leib, und nach dem Sieg des Schwanenritters folgen alle ihrem Beispiel. Die nackten Körper haben allesamt Holzstruktur, sie alle scheinen geschnitzt aus demselben Holz der gefällten Eiche, worauf auch die Eichenblätter vor der Scham verweisen. Die Begeisterung der Frauen und die Venusbergbeleuchtung lassen keinen Zweifel daran, der umschwärmte Avantgarde-Künstler Lohengrin ist auch Tannhäuser. Seine Ankunft verwandelt die Welt in ein Theater, in ein kindlich verspieltes, märchenhaftes Mittelalter.

Im zweiten Akt sind das, was zuvor Puppen waren, nun die Akteure selbst in entsprechender Kleidung, ein erhöhtes Spielpodest begrenzt eine gezeichnete, mediävistische Stadtkulisse. Auch Telramund und Ortrud, die zunächst nicht am mittelalterlichen Mummenschanz teilgenommen hatten, steigen nun ein, nachdem sich auch Ortrud beim Rachschwur ihres Kostüms entledigt hat. Elsa versinnlicht auf dem Dach der Kulisse, was die von ihr geführte Elsa-Puppe auf dem Söller des Schosses erlebt, die puppenhaften Edeldamen führen als Puppenspieler den Rest der puppenhaft agierenden Damen. Dabei erweist sich als Vorteil, dass das Kreuz der Puppenspieler auch als Waffe oder als Kreuz zu gebrauchen ist.

Der projizierte Richard Wagner streut aus dem Bühnenhimmel Rosenblätter auf das Brautpaar. Dies dauert auch zu Beginn des dritten Aktes noch an, der Blütenberg ist zum Brautbett angewachsen. Nach ihrem Bruch des Frageverbots hat Elsa nichts mehr zu verlieren, und sie küsst ihren Beinahe-Vergewaltiger, den erschlagenen Telra- auf den Mund; ihre Ernüchterung bestimmt auch das Bild der Gesellschaft, die nun wieder heutige Marionettenführer sind: Lohengrin, nun selbst an Fäden geführt, entschwebt als Batman, doch der zur Rettung versprochene Gottfried bleibt aus. Statt dessen stürzt die lebensgroße Lohengrin-Puppe, vom unsichtbaren Puppenführer fallen gelassen, auf die Bühne, und über der absinkenden Theatertechnik prangt Wagners Notiz „Kinder schafft Neues“.

Die Berliner Festtage der Staatsoper sind quasi Barenboim-Festspiele, da ausschließlich Daniel Barenboim am Pult steht oder am Klavier sitzt. Entsprechend heftig wurde der Chef des Hauses bei der Premiere gefeiert, der sich mit einem besonders rasanten Vorspiel zum dritten Akt revanchierte. Leider jedoch hat er die in der Vorgänger-Inszenierung geöffneten konventionellen Striche im dritten Aufzug (inklusive dem zweiten Teil der Gralserzählung, wie sie auch auf seiner Einspielung bei Teldec CD 3984-21484-2 zu hören sind), nun wieder geschlossen.

Die szenisch voll eingebundene Bühnenmusik, wie auch die Bläser im Graben trübten leider den Gesamteindruck der Staatskapelle, – und vorsorglich hielten sich die großartig spielenden und singenden Akteure des von Eberhard Friedrich einstudierten Staatsopernchores bei den Kriegsfanfaren die Ohren zu. Ungewöhnliche Rollenbilder mit Mut zu komischen Brechungen, gepaart mit sängerischen Meisterleistungen, boten Michaela Schuster als skurril-dämonische Ortrud und Dorothea Röschmann als psychopathisch verunsicherte, leidenschaftliche Elsa, sowie Gerd Grochowski als stimmlich schlagkräftiger, sehr heutiger Telramund.

Feine Piani bot der kurzfristig eingesprungene Klaus Florian Vogt in der Titelpartie und profundes Volumen Kwangchul Yun für den ursprünglich als Heinrich der Vogler vorgesehenen René Pape. Großer Publikumsjubel für eine ungewöhnliche Neuinszenierung in neuen Bildwelten (Heike Scheele und Gesine Völlm, sowie fettFilm) und ein spielfreudiges Ensemble in Stefan Herheims fesselnder und überzeugender Personenführung.

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